Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
dem Maul. Er tappte platschend ins seichte Wasser, warf das erbeutete Bein in die Höhe und fing es mit einem Luftsprung wieder auf.
»Der Feueropal«, nahm Renn den Gesprächsfaden wieder auf. »Du hast gesagt, er wurde zerschlagen.«
Fin-Kedinn legte Holz nach. »Als du ihn in der Hand hattest, Renn … wie groß war er da?«
»Ungefähr wie ein Entenei.« Renn stockte. »War das etwa auch bloß ein Splitter?«
Ihr Onkel nickte. »Ursprünglich war der Stein fast so groß wie deine Faust.«
Sie schwiegen. Wolf lag am Ufer und verputzte stillvergnügt das Kaninchenbein. Sogar die Erlen waren verstummt.
»Dann war der Stein, mit dem sich die Fledermausschamanin in den Abgrund gestürzt hat, also nur ein Bruchstück«, schlussfolgerte Torak. »Gibt es noch mehr Stücke?«
Fin-Kedinn nickte. »Denk nach, Torak. Wir wissen noch von mindestens einem. Der Seelenesser jenseits des Meeres muss eins besessen haben, denn er hat es benutzt, um den Bärendämon zu erschaffen, der deinen Vater getötet hat.«
Torak gab sich redlich Mühe, das alles zu begreifen. »Wie viele Stücke gibt es denn insgesamt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Drei«, sagte Renn leise. »Es waren drei.«
Die beiden anderen sahen sie verwundert an.
»Ich habe im Dunkeln drei rote Augen leuchten sehen. Im Traum. Ein Stück des Feueropals hat sich die Meermutter geholt. Das zweite hat die Fledermausschamanin mit in den Tod genommen. Und das dritte … Wo ist das dritte?«
Fin-Kedinn breitete achselzuckend die Hände aus. »Wir wissen es nicht.«
Torak hob den Kopf und blickte in das knorrige Geäst. Hoch oben, so hoch, dass es ihm erst jetzt auffiel, hing ein Mistelbusch. Die Eiche schlief mitnichten. Dort oben schlug ihr kleines, grünes, stets wachsames Herz. Welche Geheimnisse mochte es hüten? Wusste der Baum, wie es sich mit ihm, Torak, verhielt? Hatte die Eiche das Mal auf seiner Brust gesehen?
Seine Hand glitt unwillkürlich unter seine Jacke und berührte die Narbe. Allein dieses Zeichen brachte seine Umgebung in Gefahr, wie umgekehrt Renns Blitztätowierungen sie selbst schützten. Und irgendwo im Wald, im Hohen Norden oder jenseits des Meeres heckten die verbliebenen Seelenesser einen Plan aus. Sie hatten es auf das letzte Stück des Feueropals abgesehen und auf ihn, den Seelenwanderer …
»Renn!«, sagte Fin-Kedinn, und Torak zuckte zusammen. »Geh ins Lager zurück und erzähl Saeunn vom Feueropal.«
»Ich will aber hier bleiben«, protestierte Renn.
»Geh. Ich muss unter vier Augen mit Torak sprechen.«
Renn stand murrend auf.
Plötzlich hatte Torak das Gefühl, er müsste sie vorher unbedingt einweihen. »Warte!«, rief er, nahm sie beiseite und sprach so leise, dass ihn Fin-Kedinn nicht verstehen konnte. »Ich muss dir was sagen.«
»Was denn?«, erwiderte sie unwirsch.
»Ich habe dir noch nicht alles erzählt. Aber das hole ich noch nach.«
Er wunderte sich, dass sie nicht ungeduldig die Augen verdrehte, sondern bloß mit skeptischer Miene am Riemen ihres Köchers herumfingerte. »Na ja«, brummelte sie, »ein paar Geheimnisse hat jeder. Sogar ich.« Dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Heißt das, du bleibst hier?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Du sollst aber hier bleiben. Bleib bei uns.«
»Ich gehöre nicht dazu.«
»Na und?«, erwiderte sie leichthin. »Du gehörst sowieso nirgends dazu, oder?« Sie lächelte verschmitzt, schulterte ihren Bogen und war kurz darauf zwischen den Bäumen verschwunden.
Als sie weg war, schwiegen Torak und Fin-Kedinn eine ganze Weile. Der Rabenanführer spießte eine große Brasse auf einen Ast und hielt den Fisch zum Braten über die Glut, Torak hockte in Gedanken versunken daneben.
»Iss«, forderte ihn Fin-Kedinn schließlich auf.
»Hab keinen Hunger.«
»Iss!«
Torak gehorchte – und stellte fest, dass er einen wahren Heißhunger hatte. Er hatte schon fast den ganzen Fisch verspeist, als ihm auffiel, dass Fin-Kedinn kaum einen Bissen gegessen hatte.
Sie waren zum ersten Mal, seit der Rabenanführer ihn und Renn gerettet hatte, miteinander allein. Torak wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab und fragte: »Bist du mir böse?«
Fin-Kedinn säuberte mit einer Handvoll Schnee sein Messer. »Wie kommst du darauf?«
»Weil ich ohne deine Erlaubnis Wolf suchen gegangen bin.«
»Du brauchst meine Erlaubnis nicht. Du bist fast erwachsen.« Der Ältere unterbrach sich und setzte dann trocken hinzu: »Jedenfalls könntest du dich allmählich entsprechend verhalten.«
Das
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