Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
stupsten die Nasen aneinander. Ohne groß zu überlegen, öffnete Torak seine Jacke und zeigte Wolf die Seelenessertätowierung. Wolf beschnüffelte das Zeichen und leckte einmal drüber, dann trollte er sich und beschnupperte die Fischschuppen um die Feuerstelle.
Es stört ihn nicht, dachte Torak verwundert.
Mit neu erwachter Hoffnung sah er sich um. Überall machte sich der Frühling bemerkbar. Silbrige, flauschige Weidenkätzchen sprossen aus ihren Hülsen, die Sonne spielte auf den Spitzen der jungen Baumschösslinge, die am Fuß ihrer Eltern aus dem Schnee lugten.
Torak dachte daran, wie er nach Wolfs Entführung eine Strähne seines Haars geopfert hatte. Er hatte den Wald gebeten, Wolf zu beschützen. Der Wald hatte seine Bitte erhört. Vielleicht beschützte der Wald ja jetzt auch ihn.
Am späten Nachmittag kam Fin-Kedinn wieder. Er hatte drei Waldhühner und einen Hasen dabei. Er sah Torak nicht an, aber Torak fiel seine angespannte Miene auf, als er zu der Eiche hinüberging und die Fische losband.
Torak stand auf und ging ihm zur Hand. »Ich möchte hierbleiben«, sagte er.
Fin-Kedinns blaue Augen funkelten und er verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Schön«, sagte er. »Das freut mich sehr.« Er fasste Torak an der Schulter und schüttelte ihn freundschaftlich, dann traten beide den Rückweg ins Lager der Sippe an.
TORAK – SEELENESSER
ist der dritte Band der
CHRONIK DER DUNKLEN WÄLDER,
die von Toraks Abenteuern
im Wald und anderswo
und von seinem Kampf
gegen die Seelenesser berichtet.
Ein Wort zu Wolf
ZU ANFANG VON Wolfsbruder war Wolf drei Monde alt. Zu Anfang von Seelenesser ist er zwanzig Monde alt und sieht wie ein ausgewachsener Wolf aus – was er jedoch nicht ist, jedenfalls nicht in puncto Erfahrung. Als er sich dem Wolfsrudel auf dem Berg des Weltgeistes anschließt, eignet er sich einige grundlegende Jagdmethoden an, aber er hat noch viel zu lernen.
Obwohl er bald geschlechtsreif ist, wird er noch eine ganze Weile keinen Nachwuchs zeugen. Viele Wölfe warten mit der Partnersuche und Familiengründung drei Jahre oder noch länger. Bis dahin spielen sie oft den Aufpasser für ihre kleinen Geschwister und kümmern sich um sie, wenn das übrige Rudel auf der Jagd ist.
Weil Wolf eine schmale Brust und hohe, schlanke Beine hat, kann er sich im hohen Schnee rasch und mühelos fortbewegen. Seine großen Pfoten dienen ihm dabei als eine Art Schneeschuhe, sodass er, anders als Rehe mit ihren spitzen Hufen, auch über eine verharschte Schneedecke laufen kann, ohne einzubrechen.
Weil es Winter ist, ist Wolfs Pelz wesentlich dicker als in Torak – Wanderer zwischen den Welten , sodass er noch größer wirkt. Sein Fell besteht aus zwei Schichten: dem kurzen, flauschigen Unterfell , das Luft speichert und ihn wärmt, und dem langen, rauen Deckhaar , das Regen und Schnee abhält und ihn vor spitzen Wacholdernadeln schützt. In seinem prächtigen Winterpelz kann Wolf den Bedingungen im Hohen Norden besser trotzen als Torak und Renn, weil ihm die Kälte nicht so zu schaffen macht.
Im Gegensatz zu den beiden ist Wolf unglaublich ausdauernd. Obwohl er sich fast doppelt so schnell fortbewegen kann wie Torak (wenn er nicht absichtlich trödelt, damit Torak hinterherkommt), zieht er meistens einen gemächlichen Trab vor, eine anmutige, geschmeidige, fließende Gangart, die er stundenlang beibehalten kann. Und wenn er richtig losrennt, ist er natürlich viel, viel schneller als Torak!
Wolfs Sinnesorgane sind zum Teil wesentlich höher entwickelt als die von Torak, manche Sinnesleistungen sind aber auch ungefähr gleich gut. Über den Geschmackssinn von Wölfen ist wenig bekannt, man weiß aber, dass ihre Zunge dieselben Geschmacksnoten wie unsere unterscheidet: salzig, sauer, bitter und süß. Aber wir können nicht genau einschätzen, wie Fleisch, Wasser und Blut für einen Wolf schmecken.
Man nimmt an, dass das Sehvermögen von Wölfen ungefähr dem unseren entspricht, allerdings können sie Grauschattierungen besser unterscheiden als wir und im Dunkeln gut sehen. Offenbar nehmen sie auch Bewegungen besser wahr – was bei der Jagd im Wald von Vorteil ist –, und man vermutet, dass sie keine Farben erkennen, jedenfalls nicht im selben Maß wie wir.
Wolf hat ein viel feineres Gehör als Torak. Er hört hohe Töne, die Torak nicht mehr wahrnimmt, und kann dank seiner großen Ohren auch noch ganz schwache Geräusche registrieren. Das erklärt teilweise, weshalb nicht
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