Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
nachzusetzen.
Will stupste den abgetrennten Kopf der Hexe mit der Stiefelspitze aus dem Weg und folgte seinem Freund im Laufschritt.
»Magister?«, wiederholte Tessa verständnislos. Aber das kann nicht sein! De Quincey ist der Magister. Auch die Kreaturen auf der Brücke haben gesagt, dass sie ihm dienen. Und Nate hat ... Bestürzt starrte Tessa ihren Bruder an. »Nate?«
Es war ein Fehler, den Namen ihres Bruders laut auszusprechen. Sofort heftete Mortmain seinen Blick auf Tessa und grinste breit. »Ergreift die Gestaltwandlerin!«, befahl er den Klockwerk-Kreaturen. »Lasst sie nicht entkommen!«
»Nate!«, schrie Tessa auf. Doch ihr Bruder schaute sich nicht einmal nach ihr um, als die Automaten, plötzlich zum Leben erweckt, sirrend und klickend auf sie zumarschierten und sie packten: Einer der Klockwerk-Männer legte seine Metallarme wie einen Schraubstock um ihren Brustkorb und schnürte ihr die Luft ab.
Mortmain musterte Tessa spöttisch. »Gehen Sie mit Ihrem Bruder nicht zu hart ins Gericht, Miss Gray. Er ist wirklich schlauer, als ich gedacht hatte. Immerhin war es seine Idee, die jungen Herren Carstairs und Herondale mit einer weit hergeholten Geschichte aus dem Haus zu locken, damit ich ungehindert zuschlagen konnte.«
»Was geht hier vor?« Jessamines Stimme zitterte, während sie von Nate zu Tessa, dann zu Mortmain und wieder zurückschaute. »Ich verstehe das alles nicht. Wer ist dieser Mann, Nate? Und warum kniest du vor ihm?«
»Er ist der Magister«, sagte Nate. »Und wenn du klug wärst, würdest auch du vor ihm niederknien.«
Jessamine starrte ihn ungläubig an. »Das ist de Quincey?«
Nates Augen blitzten auf. »De Quincey ist ein Handlanger, ein Leibeigener. Er gehorcht dem Magister. Kaum jemand kennt die wahre Identität des Magisters, aber ich bin einer der wenigen. Der Auserwählte.«
Jessamine schnaubte verächtlich. »Auserwählt, um auf dem Boden zu knien?«
Erneut funkelten Nates Augen wütend. Er rappelte sich auf und brüllte Jessamine an. Aber Tessa konnte ihn nicht verstehen: Die Schraubstockarme des Automaten hatten sich so fest um ihren Brustkorb geschlossen, dass sie kaum noch Luft bekam und bereits schwarze Flecken vor den Augen sah. Wie aus weiter Entfernung hörte sie, dass Mortmain dem Klockwerk-Mann befahl, seinen Griff etwas zu lockern, doch die Kreatur reagierte nicht. Am Rande der Ohnmacht schlug Tessa mit rasch schwindenden Kräften nach den Metallarmen und spürte nur vage ein Flattern an ihrer Kehle - ein Flattern wie von einem Kolibri oder Schmetterling, der unter dem Kragen ihres Kleides gefangen saß.
Die Kette um ihren Hals vibrierte und zuckte. Irgendwie gelang es Tessa, nach unten zu schauen: Mit verschwommenem Blick erkannte sie zu ihrer Verwunderung, dass der kleine Metallengel unter ihrem Kragen hervorgekommen war. Pfeilschnell stieg er auf und hob dabei die Kette über ihren Kopf. Seine Augen schienen zu glühen - und zum ersten Mal hatte er die Metallschwingen weit ausgebreitet, deren Ränder mit irgendeiner schimmernden Substanz versehen waren und rasiermesserscharf glitzerten. Während Tessa erstaunt zusah, begab sich der Engel wie eine Hornisse in den Sturzflug und attackierte den Kopf des Klockwerk-Mannes mit seinen scharfkantigen Schwingen, die durch die Kupfer- und Metallschichten der Kreatur schnitten und einen Sprühregen aus roten Funken erzeugten.
Obwohl die Funken Tessas Hals wie glühende Eisenpartikel versengten, nahm sie die winzigen Verbrennungen kaum wahr. Denn der Automat lockerte seinen Griff, und während er unkoordiniert umhertorkelte und wild mit den Metallarmen um sich schlug, wand Tessa sich aus seiner Umklammerung. Sein Anblick erinnerte sie an eine Zeichnung, die sie einmal gesehen hatte: Er wirkte wie ein verärgerter Gentleman, der bei einem Gartenfest wütend ein paar Bienen verscheuchte.
Mortmain, der eine Spur zu spät begriff, was da vor sich ging, schrie den anderen Automaten einen Befehl zu, woraufhin diese sich in Bewegung setzten und auf Tessa zustürzten.
Verzweifelte schaute Tessa sich um, konnte den winzigen Engel jedoch nirgends mehr sehen. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
»Tessa! Aus dem Weg!« Eine kalte kleine Hand packte sie am Handgelenk: Jessamine riss sie zur Seite, während Thomas, der Sophie freigegeben hatte, nach vorn stürmte. Resolut schob Jessamine Tessa rückwärts in Richtung Treppe und rückte dann mit wirbelndem Sonnenschirm vor; aus ihrem Gesicht sprach eiserne
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