Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
Knie sank, stieß Charlotte ihm die Klinge mit einem Ruck in die Brust.
Hinter Charlotte erkannte Tessa einen Wirbel aus rasend schnellen, wilden Bewegungen - Will, der von einem grimmigen Vampir mit einer Silberpistole verfolgt wurde. Der Vampir legte auf Will an, zielte und feuerte. Doch Will schlug einen Haken, schlitterte über den blutigen Boden, rollte sich ab und sprang auf einen der Polsterstühle. Dann wich er einem weiteren Schuss geschickt aus, sprang erneut und tänzelte zu Tessas Überraschung leichtfüßig über die Rückenlehnen einer Reihe von Stühlen. Beim letzten Stuhl angekommen, sprang er auf den Boden und wirbelte zu dem Vampir herum, der sich nun ein paar Meter von ihm entfernt befand. Plötzlich - und ohne dass Tessa gesehen hätte, wie er ihn zückte - blitzte ein kurzer Dolch in seiner Hand auf und flog einen Sekundenbruchteil später quer durch den Salon. Der Pistolenschütze versuchte noch, sich zu ducken, war aber nicht schnell genug: Der Dolch bohrte sich in seine Schulter, woraufhin der Vampir vor Schmerz aufbrüllte. In dem Moment, in dem er nach dem Heft greifen wollte, um den Dolch herauszuziehen, tauchte wie aus dem Nichts ein schlanker dunkler Schatten hinter ihm auf. Grelle Silberblitze durchzuckten die Rauchschwaden, dann explodierte der Vampir in einer Wolke aus Blut und Asche.
Als sich das Chaos etwas lichtete, erkannte Tessa Jem, eine lange Klinge in der Hand. Er grinste, allerdings nicht in ihre Richtung, und versetzte der Silberpistole, die nun verloren zwischen den Überresten des Vampirs lag, einen kräftigen Tritt, sodass sie über den Boden schlitterte und erst von Wills Fuß gestoppt wurde. Will nickte Jem ebenfalls grinsend zu, schnappte sich die Pistole und steckte sie unter seinen Gürtel.
»Will!«, rief Tessa in seine Richtung, obwohl sie nicht sicher war, ob er sie über dem Kampflärm überhaupt hören konnte. »Will ...«
Plötzlich packte sie jemand im Rücken ihres Kleides, stemmte sie hoch und riss sie nach hinten. Tessa hatte das Gefühl, sich in den Krallen eines riesigen Raubvogels zu befinden. Sie schrie auf und spürte dann, wie sie nach vorn geschleudert wurde, über den Boden rutschte und mit voller Wucht in einen Stapel Stühle krachte, der mit ohrenbetäubendem Getöse zusammenbrach. Vor Schmerz stöhnte Tessa laut auf und hob mühsam den Kopf.
Über ihr stand de Quincey. Seine schwarzen, blutunterlaufenen Augen glitzerten vor rasender Wut, sein weißes Haar hing ihm in matten Strähnen ins Gesicht und sein einst weißes Hemd war über der Brust aufgeschlitzt und klebte vor Blut. Er musste sich eine klaffende Schnittwunde zugezogen haben, die jedoch nicht so tief gewesen war, dass sie ihn getötet hätte, und die danach umgehend verheilt war. Die Haut unter dem zerfetzten Hemd wirkte jedenfalls vollkommen unversehrt. »Du Miststück«, knurrte er Tessa an. »Du verlogenes, hinterhältiges Miststück! Du hast diesen jungen hierher gebracht, Camille. Diesen Nephilim.«
Panisch krabbelte Tessa rückwärts, bis der Haufen zusammengebrochener Stühle sie aufhielt.
»Ich habe dich wieder in unseren Clan aufgenommen, selbst nach deinem kleinen widerwärtigen ... Intermezzo ... mit diesem Lykanthropen. Ich habe deinen lächerlichen Hexenmeister toleriert. Und das ist nun der Dank dafür ... so dankst du mir. Dankst du uns.« Er streckte ihr seine Hände entgegen, die mit schwarzem Staub beschmiert waren. »Siehst du das hier?«, fragte er. »Das ist die Asche unserer toten Clanmitglieder. Toter Vampire. Die du verraten hast. Und für wen? Für die Nephilim.« Er spuckte den Begriff förmlich aus, als wäre er giftig.
Plötzlich perlte irgendetwas in Tessas Kehle. Helles Gelächter. Allerdings nicht ihr eigenes, sondern das von Camille. »›Widerwärtiges Intermezzo‹?« Die Worte sprudelten aus Tessas Mund hervor, ehe sie sie aufhalten konnte. Es schien, als hätte sie keinerlei Kontrolle mehr über das, was sie sagte. »Ich habe ihn geliebt - so, wie du mich nie geliebt hast, so, wie du nie auch nur irgendjemanden geliebt hast. Und dann hast du ihn getötet, nur um dem Clan zu zeigen, dass du es kannst. Ich will, dass du am eigenen Leib erfährst, wie es ist, alles zu verlieren, was einem etwas bedeutet. Ich will, dass dein Haus niederbrennt, dein Clan zu Asche zerfällt und das Ende deines eigenen erbärmlichen Lebens naht - und dass du weißt, dass ich diejenige bin, die dir dies antut.«
Und dann war Camilles Stimme genauso schnell wieder
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