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Planeten 03 - Venus

Planeten 03 - Venus

Titel: Planeten 03 - Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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HÖLLENKRATER
     
    Ich war spät dran, und ich wusste es.
    Das Problem ist nur, dass man auf dem Mond nicht rennen kann.
    Das Shuttle von der Raumstation Nueva Venezuela hatte Verspätung gehabt – ein kleines Problem mit dem Gepäck, das von der Erde hierher befördert wurde. Also eilte ich mutterseelenallein durch den Korridor, der vom Landeplatz wegführte. Die Party hatte schon vor über einer Stunde angefangen.
    Man hatte mir gesagt, ich solle gar nicht erst versuchen zu rennen, nicht einmal mit den bleibeschwerten Stiefeln, die ich am Raumhafen geliehen hatte. Aber ich Narr musste es natürlich trotzdem versuchen. Ich hüpfte wie ein Affe durch den Korridor und knallte schließlich schmerzhaft mit der Nase gegen die Wand. Danach schlurfte ich in der Gangart weiter, wie das Touristenvideo sie gezeigt hatte. Ich kam mir blöd dabei vor, aber immer noch besser, als gegen die Wand zu laufen.
    Nicht dass ich wirklich auf die dämliche Party meines Vaters gehen oder auf
    überhaupt dem Mond sein wollte. Auf diese Idee wäre ich von mir aus gar nicht gekommen.
    Zwei große humanoide Roboter bewachten die Tür am Ende des Gangs. Und ich meine damit wirklich groß, zwei Meter hoch und fast mit dem gleichen Brustumfang. Die glänzende Metalltür war natürlich geschlossen. Man platzte nicht so einfach in eine Party meines Vaters; dafür hatte er kein Verständnis.
    »Ihr Name, bitte«, sagte der Robot zur Linken. Seine Stimme war tief und rau und entsprach damit wohl der Vorstellung meines Vaters, wie ein Rausschmeißer klingen müsse.
    »Van Humphries«, sagte ich langsam und prononciert.
    Der Robot zögerte für einen Sekundenbruchteil und sagte: »Ihr Sprachmuster wurde verifiziert. Sie dürfen eintreten, Mr. Van Humphries.«
    Beide Robots drehten sich um die Hochachse, und die Tür glitt auf. Der Lärm traf mich wie ein Presslufthammer: Hämmernde atonale Musik dröhnte gegen das übersteuerte Kreischen eines androgynen Sängers an, der den aktuellsten Pop-Hit jaulte.
    Die Halle war groß, sogar riesig und mit Partygästen angefüllt, Hunderten Männern und Frauen. Es waren tausend oder mehr, schätzte ich, die tranken, schrien, rauchten und deren Gesichter durch ein gezwungenes raues Lachen zu Grimassen verzerrt waren. Der Lärm war so stark, dass ich förmlich das Gefühl hatte, gegen eine Wand zu laufen. Ich musste mich körperlich zwingen, an den Robots vorbei in die riesige Halle zu gehen.
    Jeder trug eine Partykluft: Schrille Farben mit viel Strass und Glitzerkram und elektronischen Gimmicks. Und es wurde natürlich viel nackte Haut gezeigt. Im schokoladenbraunen Velours-Pullover und der beigefarbenen Microfaserhose kam ich mir geradezu wie ein Missionar vor.
    Ein elektronisches Banner lief über die ganze Länge der Schmalseite der Kaverne. Es verkündete abwechselnd ALLES GUTE ZUM HUNDERTSTEN GEBURTSTAG! und präsentierte Clips aus pornografischen Videos.
    Ich hätte mir auch denken können, dass Vater die Party in einem Bordell steigen lassen würde. Höllenkrater, benannt nach dem Jesuiten-Astronomen Maximilian J. Hell. Die Computerspiel- und Pornobranche hatte das Gebiet ins ›Sündenbabel‹ des Monds verwandelt, ein unerschöpfliches Füllhorn illegaler Vergnügungen, das ungefähr sechshundert Kilometer südlich von Selene City aus dem staubigen Boden des Kraters gestampft worden war. Der arme alte Pater Hell würde sich im Grab umdrehen.
    »Hi, Fremder!«, sagte eine kesse dralle Rothaarige in einem smaragdgrünen Kostüm, das so knapp geschnitten war, dass es sich um eine Körperbemalung aus Sprühfarbe handeln musste. Sie winkte mit einer Ampulle mit irgendeinem grauen Pulver in meine ungefähre Richtung und kreischte: »Komm, hab Spaß!«
    Spaß. Der Ort hatte Ähnlichkeit mit Dantes Inferno. Es gab keine Sitzgelegenheiten außer ein paar Sofas an der Wand, und die waren mit sich windenden und verschlungenen nackten Körpern belegt. Alle anderen waren auf den Beinen, tanzten Schulter an Schulter, wiegten sich und wogten wie die Wellen eines bunten, stürmischen menschlichen Meers.
    Hoch oben unter der glasierten Gesteinsdecke vollführte ein Paar Akrobaten in rüschenbesetzten Clownskostümen einen Akt auf einem Drahtseil, das durch die ganze Halle gespannt war. Die Kostüme funkelten im Scheinwerferlicht. Auf der Erde wäre eine Vorführung in dieser Höhe riskant gewesen; hier auf dem Mond konnten sie sich aber auch den Hals brechen, falls sie abstürzten – beziehungsweise den Hals der Leute,

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