Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
funkelte sie wütend an. Seine Augen waren tatsächlich wunderschön. »Hilfsbereit wie eh und je, Tessa.«
Sie erwiderte sein Funkeln. »Mein einziges Bestreben ist es, anderen behilflich zu sein.«
Besänftigend legte Jem ihr eine Hand auf die Schulter und meinte besorgt: »Tessa, Will. Ich glaube nicht ...«
Doch Will war bereits auf dem Weg zum Ausgang, griff sich seinen Mantel und schlug die Bibliothekstür mit solcher Wucht hinter sich zu, dass der Türrahmen bebte.
Jessamine setzte sich auf und kniff ihre braunen Augen leicht zusammen. »Wie interessant.«
Als Tessa sich eine Locke hinters Ohr schob, zitterte ihre Hand. Sie hasste es, dass Will eine derartige Wirkung auf sie ausübte. Hasste es abgrundtief. Sie hätte es eigentlich besser wissen müssen. Schließlich hatte er keinen Hehl daraus gemacht, was er von ihr hielt: Dass sie ein Niemand war, zu nichts nutze. Und dennoch bewirkte nur ein Blick von ihm, dass sie innerlich bebte, mit einer Mischung aus Hass und Sehnsucht. Er war wie ein Gift in ihrem Blut, zu dem Jem das einzige Gegenmittel bildete. Nur in seiner Anwesenheit hatte sie das Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu haben.
»Komm.« Jem nahm sie leicht am Arm. Normalerweise würde ein Gentleman eine Dame in der Öffentlichkeit nicht berühren, aber hier im Institut galten andere Regeln, da die Schattenjäger einen vertrauteren Umgang untereinander pflegten als ihre irdischen Zeitgenossen. Als Tessa sich zu ihm umdrehte, lächelte er sie an. Jem legte alles, was er hatte, in jedes Lächeln, sodass er nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen, seinem Herzen, seinem ganzen Wesen zu lächeln schien. »Machen wir uns auf die Suche nach Charlotte«, sagte er.
»Und was soll ich in der Zwischenzeit tun?«, murrte Jessamine, als die beiden sich zur Tür begaben.
Jem warf ihr über die Schulter einen Blick zu. »Du könntest zum Beispiel Henry wecken. Allem Anschein nach knabbert er wieder Papier im Schlaf und du weißt ja, wie sehr Charlotte das hasst.«
»Oh, zum Kuckuck mit ihm«, seufzte Jessamine genervt. »Warum bekomme immer ich alle stumpfsinnigen Aufgaben zugeteilt?«
»Weil du die wichtigen nicht übernehmen willst«, konterte Jem, so verärgert, wie Tessa ihn noch nie erlebt hatte. Doch weder sie noch Jem bemerkten den eisigen Blick, den Jessamine ihnen zuwarf, als sie die Bibliothek verließen und durch den Korridor davoneilten.
»Mr Bane erwartet Sie bereits, Sir«, sagte der Lakai und trat beiseite, um Will durchzulassen. Der Name des Dieners lautete Archer - oder Walker oder irgend so etwas, überlegte Will - und er war einer von Camilles menschlichen Domestiken. Genau wie alle anderen, die auf diese Weise dem Willen eines Vampirs unterworfen waren, wirkte auch er mit seiner Pergamenthaut und den dünnen, strähnigen Haaren seltsam kränklich. Wills Gegenwart schien ihn mit ebensolcher Begeisterung zu erfüllen wie einen Dinnergast der Anblick einer Schnecke auf seinem Salatteller.
In dem Moment, in dem Will das Haus betrat, schlug ihm der Gestank bereits entgegen: der Pesthauch schwarzer Magie, wie Schwefel vermengt mit dem Geruch der Themse an einem heißen Sommertag. Will rümpfte die Nase, worauf der Diener ihn mit einem noch unwilligeren Blick bedachte. »Mr Bane befindet sich im Salon.« Sein Tonfall verriet, dass er auf keinen Fall gedachte, Will dorthin zu begleiten. »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
»Das wird nicht nötig sein.« Will zog den Mantel noch fester um sich und folgte dem Geruch der schwarzen Magie durch den Flur. Der Gestank verschärfte sich, als er sich der Tür zum Salon näherte, die fest verschlossen war. Dünne Rauchschwaden krochen unter dem Türspalt hervor. Will holte noch einmal tief Luft und drückte dann die Klinke herunter. Der Salon wirkte erstaunlich kahl. Nach einem Moment erkannte Will die Ursache dafür: Magnus hatte sämtliche schweren Teakmöbel und sogar das Klavier aus dem Weg geräumt und an die Wände geschoben. An der Decke hing ein kunstvoll verzierter Gaslüster, doch das Licht im Salon stammte von Dutzenden dicker schwarzer Kerzen, die in der Raummitte zu einem großen Kreis angeordnet waren.
Magnus stand neben dem Kreis, ein aufgeschlagenes Buch in der Hand; sein altmodisches Halstuch war gelockert und seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab, als knisterten sie vor Elektrizität. Als Will eintrat, schaute er auf und lächelte. »Gerade rechtzeitig!«, rief er. »Ich bin wirklich davon
Weitere Kostenlose Bücher