Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
ignorieren und damit weiter aufzubringen.«
»Ein Schauspiel? So nennen Sie das also?«, schnaubte Charlotte bitter. »Sie haben mich vor eine unlösbare Aufgabe gestellt.«
»Ich habe dir die Aufgabe gestellt, den Magister ausfindig zu machen«, entgegnete Konsul Wayland. »Den Mann, der gewaltsam ins Institut eingedrungen ist, der deine Dienstboten getötet und die Pyxis gestohlen hat und der eine Armee von Klockwerk-Monstern zu errichten plant, um uns alle zu vernichten. Mit anderen Worten: ein Mann, der mit allen Mitteln gestoppt werden muss. Als Oberhaupt der Brigade ist es deine Aufgabe, ihn aufzuhalten, Charlotte. Falls du dies für unmöglich erachtest, dann solltest du dir vielleicht wirklich die Frage stellen, warum du dieses Amt überhaupt hast bekleiden wollen.«
2
WIEDERGUTMACHUNG
So vergönne mir diese traurige Erholung,
Teile mir deinen Kummer mit.
Oh! Mehr als teilen, übertrag mir alle deine Leiden.
ALEXANDER POPE,
»HELOISE AN ABELARD«
[3]
Das Elbenlicht, das die Institutsbibliothek erhellte, schien leicht zu flackern, wie eine tropfende Kerze in ihrer Wandhalterung. Doch Tessa wusste, dass es sich um eine Täuschung ihrer Fantasie handeln musste, denn im Gegensatz zu einer Flamme oder einem Gaslicht brannte das Licht der Elbensteine nicht aus - es leuchtete beständig. Allerdings ermüdeten Tessas Augen allmählich und dem Anblick ihrer Freunde nach zu urteilen, erging es den anderen ähnlich. Sie saßen um einen der großen Bibliothekstische versammelt: Charlotte am Kopf, Henry zu Tessas Rechten und Will und Jem nebeneinander auf der anderen Seite. Nur Jessamine hatte sich ans weit entfernte Ende des Tischs zurückgezogen, abseits der anderen.
Die Oberfläche des Lesetischs war förmlich übersät mit Papieren und Dokumenten jeglicher Art - alte Zeitungsartikel, Bücher, Pergamentrollen mit feinen, krakeligen Handschriften. Dazu die Ahnentafeln verschiedener Zweige der Familie Mortmain, historische Abhandlungen über die Entwicklung der Automaten, zahlreiche Bücher mit Beschwörungszaubern und Verquickungsformeln sowie jedes Fitzelchen an Informationen, das die Brüder der Stille in ihrem Archiv über den Pandemonium Club hatten finden können.
Tessa war mit der Aufgabe betraut worden, sämtliche Zeitungsartikel durchzugehen, auf der Suche nach Berichten über Mortmain und seine Reederei, und allmählich verschwamm ihr die Sicht und die Worte schienen auf dem Papier zu tanzen. Erleichtert atmete sie auf, als Jessamine schließlich die Stille durchbrach.
Genervt schob die junge Schattenjägerin ihre Lektüre - Über die Mechanismen der Hexerei - von sich weg und meinte düster: »Charlotte, ich denke, wir verschwenden hier nur unsere Zeit.«
Mit einem gequälten Gesichtsausdruck schaute Charlotte auf. »Jessamine, es besteht keine Veranlassung, noch länger hierzubleiben, wenn du das nicht wünschst. Ich muss ohnehin sagen, dass wohl keiner von uns mit deiner Hilfe in dieser Angelegenheit gerechnet hätte, und da du deinen Studien nie sonderlich zugetan warst, frage ich mich wirklich, ob du überhaupt weißt, wonach du suchst. Könntest du eine Verquickungsformel von einem Beschwörungszauber unterscheiden, wenn ich sie hier vor dir auf den Tisch legen würde?«
Überrascht blickte Tessa auf. Nur selten reagierte Charlotte ihnen gegenüber derartig scharf.
»Ich möchte aber helfen«, stieß Jessie schmollend hervor. »Diese mechanischen Dinger von Mortmain hätten mich fast umgebracht. Ich will, dass er geschnappt und bestraft wird.«
»Nein, willst du nicht«, bemerkte Will, der ein altes, knisterndes Pergament entrollte und die darauf abgebildeten schwarzen Symbole studierte. »Du willst, dass Tessas Bruder geschnappt und bestraft wird, weil er dich glauben machte, er sei in dich verliebt.«
Jessamine errötete. »Das will ich nicht . Ich meine, das hat er nicht. Ich meine ... ach! Charlotte, Will ist wieder einmal unausstehlich.«
»Und die Erde ist eine Kugel«, sagte Jem zu niemandem im Besonderen.
»Ich will nicht, dass man mich aus dem Institut hinauswirft, wenn wir den Magister nicht finden«, fuhr Jessamine fort. »Ist das denn so schwer zu verstehen?«
»Dich wird man gewiss nicht aus dem Institut werfen. Charlotte dagegen schon. Ich bin mir sicher, dass die Lightwoods dir erlauben werden zu bleiben. Außerdem hat Benedict zwei Söhne im heiratsfähigen Alter. Du solltest eigentlich entzückt sein«, sagte Will spöttisch.
Doch Jessamine verzog das Gesicht.
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