Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
»Schattenjäger. Als ob ich einen von denen heiraten würde.«
»Jessamine, du bist eine von denen.«
Bevor Jessamine jedoch auf diesen Einwand reagieren konnte, wurde die Tür zur Bibliothek geöffnet und Sophie kam herein, den Kopf mit der weißen Haube züchtig gesenkt. Leise wechselte sie ein paar Worte mit Charlotte, die sich daraufhin von ihrem Stuhl erhob.
»Bruder Enoch ist hier«, wandte Charlotte sich an die Gruppe. »Ich muss unbedingt mit ihm sprechen. Will, Jessamine, versucht bitte, euch nicht gegenseitig umzubringen, solange ich nicht da bin. Henry, wenn du freundlicherweise ...« Sie verstummte. Henry starrte gebannt in das Buch, das vor ihm lag - al-Dschazarīs Buch über die Kunst trickreicher mechanischer Vorrichtungen -, und bekam überhaupt nicht mit, was um ihn herum vorging. Am Rande ihrer Geduld angelangt, warf Charlotte die Hände in die Höhe und eilte dann zusammen mit Sophie aus dem Raum.
In dem Moment, in dem sich die Tür hinter ihnen schloss, warf Jessamine Will einen giftigen Blick zu. »Wenn du die Ansicht vertrittst, ich besäße nicht genügend Erfahrung, um bei der Suche zu helfen, aus welchem Grund ist sie dann hier?« Jessamine zeigte auf Tessa. »Ich möchte keineswegs unhöflich erscheinen, aber glaubst du wirklich, sie könnte eine Verquickungsformel von einem Beschwörungszauber unterscheiden?« Skeptisch musterte sie Tessa. »Nun? Was sagst du? Kannst du oder kannst du nicht? Und was dich betrifft, Will: Du hörst während des Unterrichts so wenig zu, dass ich mich frage, ob du eine Verquickungsformel von einem Soufflé-Rezept unterscheiden könntest!«
Will lehnte sich zurück und erwiderte träumerisch: »›Ich bin nur toll bei Nordnordwest; wenn der Wind südlich ist, kann ich einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl unterscheiden.‹ [4] «
»Jessamine, Tessa hat großzügig ihre Unterstützung angeboten und im Moment können wir jede Hilfe gebrauchen«, sagte Jem streng. »Will, hör auf, aus Hamlet zu zitieren. Und Henry ...« Er räusperte sich vernehmlich. »HENRY.«
Ruckartig hob Henry den Kopf und blinzelte. »Ja, meine Liebe?« Dann blinzelte er erneut und schaute sich verwundert um. »Wo ist Charlotte?«
»Sie spricht gerade mit einem der Stillen Brüder«, erklärte Jem, der nicht im Geringsten darüber verstimmt wirkte, dass Henry ihn gerade mit seiner Frau verwechselt hatte. »Im Übrigen muss ich einräumen ... dass ich derselben Ansicht bin wie Jessamine.«
»Und die Erde ist eine Scheibe «, bemerkte Will, der Jems vorherigen Kommentar offenbar doch gehört hatte.
»Aber warum?«, drängte Tessa. »Wir können doch jetzt nicht einfach aufgeben. Das käme einer Übergabe des Instituts an diesen grässlichen Benedict Lightwood gleich.«
»Bitte versteh mich nicht falsch: Ich schlage ja gar nicht vor, dass wir nichts unternehmen. Aber wir versuchen herauszufinden, was Mortmain plant. Wir versuchen, die Zukunft vorherzusagen, statt die Vergangenheit zu verstehen.«
»Wir kennen Mortmains Vergangenheit und seine Pläne.« Will deutete mit der Hand auf die Zeitungen. »Geboren in Devon, zunächst als Schiffsarzt tätig, dann zu einem wohlhabenden Geschäftsmann aufgestiegen, in schwarze Magie verstrickt und nun mithilfe einer gewaltigen Armee mechanischer Kreaturen auf dem Weg, die Weltherrschaft zu übernehmen. Eine nicht ganz untypische Entwicklung für einen entschlossenen jungen Mann ...«
»Ich glaube nicht, dass er jemals davon gesprochen hat, die Weltherrschaft zu übernehmen«, unterbrach Tessa ihn. »Es war immer nur vom Britischen Weltreich die Rede.«
»Bewundernswert wortgetreu«, bemerkte Will. »Doch eigentlich will ich damit nur Folgendes sagen: Wir wissen, aus welchen Verhältnissen Mortmain stammt. Aber es lässt sich wohl kaum als unser Fehler bezeichnen, dass sein Lebenslauf nicht sonderlich interessant ...« Er verstummte, runzelte die Stirn und meinte nach einem Moment: »Ah.«
»Was Ah ?«, fragte Jessamine fordernd und schaute verärgert von Will zu Jem. »Ich muss schon sagen, die Art und Weise, mit der ihr beide die Gedanken des jeweils anderen zu lesen scheint, ist mir unheimlich.«
»Ah«, wiederholte Will. »Jem dachte gerade - und ich bin geneigt, ihm beizupflichten -, dass Mortmains Lebensgeschichte, gelinde gesagt, ziemlicher Kokolores ist. Ein paar Lügen, ein paar Tatsachen, aber höchstwahrscheinlich nichts darunter, was uns irgendwie weiterhelfen würde. Bei alldem handelt es sich nur um Geschichten, die er
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