Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
treten.
Beruhigend legte Jem ihm eine Hand auf die Schulter. »Dieses Wesen spürt keinen Schmerz, Will«, raunte er mit gesenkter Stimme. »Und es sagt, es habe eine Warnung. Also lass es seine Nachricht auch überbringen.«
»Eine Warnung ... an dich, Will Herondale ... und alle anderen Nephilim ...«, presste der Automat mit brüchiger Stimme hervor. »Der Magister sagt ... du sollst deine Nachforschungen einstellen. Die Vergangenheit ... ist die Vergangenheit. Lass Mortmains Vergangenheit ruhen ... oder deine Familie wird dafür bezahlen. Wage es nicht, sie zu kontaktieren oder zu warnen ... andernfalls wird der Magister sie vernichten.«
Jem warf Will einen raschen Blick zu. Sein Freund war noch immer aschfahl um die Nase, aber seine Wangen leuchteten rot vor Wut.
»Wie hat Mortmain meine Familie hierher gebracht? Hat er sie bedroht? Was hat er ihnen angetan?«
Die Kreatur ratterte und knackte und setzte dann erneut an: »Ich ... bin ... eine ... Warnung ... vom ...«
Will knurrte wie ein Tier und ließ sein Schwert herabsausen. Tessa musste unwillkürlich an Jessamine denken, wie sie im Hyde Park einen Kobold mit ihrem zarten Sonnenschirm förmlich in der Luft zerfetzt hatte. Auch Will hieb nun ähnlich wild auf den Automaten ein, bis nur noch schmale Metallstreifen übrig blieben.
Nach einem kurzen Moment schlang Jem seinem Freund von hinten die Arme um den Körper und riss ihn zurück. »Will«, rief er. »Will, das reicht!« Dann schaute er bedeutungsvoll zur Straße und Will und Tessa folgten seinem Blick. In der Ferne bewegten sich metallisch glänzende Gestalten zwischen den Bäumen - weitere Klockwerk-Automaten. »Wir müssen hier weg«, stellte Jem klar. »Wenn wir sie von deiner Familie fernhalten wollen, müssen wir sofort aufbrechen.«
Doch Will zögerte.
»Will, du weißt doch, dass du dich deiner Familie nicht nähern darfst«, drängte Jem verzweifelt. »Und sei es auch nur, weil das Gesetz es so verlangt. Wenn wir deine Familie in Gefahr bringen, wird der Rat keinen Finger krümmen, um ihr zu helfen. Deine Eltern sind keine Schattenjäger mehr. Will. «
Langsam ließ Will sein Schwert sinken. Reglos stand er da, Jems Arm noch immer um seine Schultern, und starrte auf den Metallhaufen zu seinen Füßen. Schwarze Flüssigkeit tropfte von der Klinge seines Schwerts und versengte das Gras.
Erleichtert atmete Tessa aus. Bis zu diesem Moment war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass sie den Atem angehalten hatte.
Will musste sie gehört haben, denn er hob den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Irgendetwas in seinen Pupillen veranlasste Tessa jedoch wegzuschauen: eine abgrundtiefe Seelenqual, die nicht für ihre Augen bestimmt war.
In Windeseile bargen sie die Überreste des zerstörten Automaten und vergruben sie in der weichen Erde unter einem verrottenden Baumstamm. Tessa half, so gut sie konnte, wurde allerdings ständig von ihren Röcken behindert. Während der ganzen Zeit fiel kein einziges Wort; sie arbeiteten schweigend vor sich hin. Als sie endlich alle Spuren beseitigt hatten, starrten Tessas Finger vor Dreck, genau wie Wills und Jems Hände.
Schließlich führte Will sie aus dem Wäldchen hinaus, wobei Jems Elbenlichtstein ihnen den Weg leuchtete. Kurz darauf brachen sie an einer Stelle aus dem Unterholz hervor, die nahe der Straße war, wo Starkweathers Kutsche wartete. Gottshall döste noch immer auf dem Kutschbock, als seien seit ihrer Ankunft nur wenige Minuten verstrichen.
Falls den alten Mann ihr Erscheinungsbild - schmutzig, schlammbespritzt und mit Blättern in den Haaren - überhaupt überraschte, so ließ er sich jedoch nichts anmerken. Und er stellte auch keine Fragen, ob sie gefunden hatten, wonach sie suchten. Stattdessen brummte er nur kurz zur Begrüßung, ließ sie in die Kutsche steigen und schnalzte dann mit der Zunge, damit die Pferde das Gefährt wendeten und sie sich auf den langen Weg zurück nach York machen konnten.
Dunkle Wolken hingen tief am Himmel und drückten auf den Horizont. »Es wird bald regnen«, stellte Jem nach einem Blick durch das Kutschfenster fest und wischte sich die silberhellen Haare aus der Stirn.
Will schwieg und starrte gedankenverloren in die Ferne. Seine Augen schimmerten in der Farbe des nächtlichen Atlantiks.
»Cecily«, setzte Tessa in einem viel sanfteren Ton an, als sie ihn während der vergangenen Tage Will gegenüber angeschlagen hatte. Er wirkte so elend - bleich und trist wie die Moorlandschaft, die sie passierten.
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