Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
hatte, gleich an Ort und Stelle ohnmächtig zu werden.
„Du bist ja ganz blass.“ Elias stand vor ihr und hielt vier Fahrscheine in der Hand. Sie hatte gar nicht wahrgenommen, dass er sich von ihr entfernt hatte, um sich um die Karten zu kümmern.
„Habe ein bisschen Höhenangst, weißt du?“, antwortete Sydney mit zittriger Stimme und schluckte reflexartig.
Marri kam zu ihrer Schwester und legte beruhigend ihre Hände um sie. Es war ihr nicht entgangen, dass Sydney nun leicht zitterte, auch wenn diese selbst es aus dem ersten Panikanflug heraus noch nicht wahrgenommen hatte. Sie wollte sich stark zeigen, doch ihren Körper konnte sie nicht hinters Licht führen. Die Angst vor der Höhe, die tief in ihrem Inneren verwurzelt war, zeigte sich deutlich, und zwar in allen Facetten.
„Geht ihr nur. Ich möchte euch den Spaß nicht verderben. Ich werde hier unten auf euch warten. Ich laufe euch schon nicht weg.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Elias mit etwas Nachdruck in der Stimme. Sydney nickte zur Antwort und versuchte, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Die beiden Brüder wechselten kurze Blicke.
„Falls was ist, ruf uns einfach“, fügte Elias hinzu und sah zum Riesenrad hinauf. „Wir werden dich von da oben im Auge behalten.“
Die drei stiegen in die ihnen zugewiesene Gondel und das Rad setzte sich abrupt in Bewegung. Sydney sah der langsamen Drehbewegung zu, bis sie ihre Freunde aus den Augen verlor.
„Miau!“ Aus der Nähe erklang ein hoher Laut, den Sydney in dem Festtagstrubel zunächst nicht wahrnahm, doch als die Rufe immer näher kamen und an Lautstärke gewannen, drehte sich das Mädchen um und sah einen schwarzen Kater. Er bewegte sich elegant in dem unübersichtlichen Meer aus Füßen und Schuhen und kämpfte sich tapfer durch diesen Dschungel hindurch.
„Miau! Miauuu! Ksch!“, zischte der Kater, als er Sydney erblickte, und seine feinen Härchen richteten sich auf. Das Tier hatte ein glänzendes, dunkles Fell und unglaublich strahlend grüne Augen, die Sydney zum Teil faszinierten, ihr aber gleichzeitig Angst machten.
Der Ring ihrer Mutter saß fest an Sydneys Finger und fühlte sich beim Tragen immer angenehm leicht an. Oft merkte sie gar nicht, dass sie ihn trug, und erschrak jedes Mal, wenn sie glaubte, ihn verloren zu haben. Doch nun machte sich das Schmuckstück bemerkbar. Die Haut unter dem glatt geschliffenen Metall juckte leicht, bis Sydney ein schwaches Brennen verspürte. Sie drehte den Ring hin und her, um den Juckreiz zu befriedigen, und wandte sich wieder dem Tier zu.
Der Kater zischte erneut, diesmal jedoch bösartiger als beim ersten Mal, drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung, immer darauf bedacht, den gefährlichen Schritten der Menschen um ihn herum auszuweichen.
Sydney fand das Tier faszinierend. Auch wenn der Kater sich ihr gegenüber nicht besonders friedlich verhalten hatte, spürte sie dennoch Mitgefühl für ihn. Er musste wohl seinem Besitzer entwischt oder ihm auf die Festlichkeit gefolgt sein, ohne zu wissen, dass er sich in unmittelbare Gefahr begeben hatte.
Für einen Moment vergaß Sydney alles um sich herum und sogar ihre Freunde, die weiterhin in den Gondeln saßen und sich gerade irgendwo in atemberaubender Höhe befanden. Sie konnte das Tier nicht seinem Schicksal überlassen und fühlte sich für seine Sicherheit verantwortlich. Ohne Rücksicht auf die feierlustigen Festbesucher rannte sie dem Kater hinterher, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Der Kater rannte, wie von einer Meute wütender Hunde verfolgt, durch das Gelände, blieb zwischendurch stehen, um sich umzudrehen und Sydney anzuschauen, rannte aber sofort weiter, als er sie näherkommen sah. Er schien mit ihr ein Spiel zu spielen, das ihm viel Spaß bereitete, Sydney aber ins Schwitzen brachte.
Mit jedem Schritt, den sie tat, wurde die Geräuschkulisse des Festes leiser, bis sie kaum noch zu hören war. Sydney lief in Gedanken versunken dem Kater hinterher, ohne sich umzuschauen, und als sie endlich wieder zu sich kam, musste sie feststellen, dass sie das Festgelände bereits verlassen hatte.
„Miau!“, schrie der Kater noch lauter, schaute das nach Luft schnappende Mädchen an und lief weiter.
„Warte doch auf mich. Ich will dir nur helfen“, redete sie auf das Tier ein, doch dieses reagierte nicht auf ihre Worte.
Nach einer weiteren Minute der Verfolgungsjagd blieb Sydney plötzlich stehen, wischte sich mit dem Ärmel den kalten Schweiß von der
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