0830 - Das Vampirloch
Nein, wieso auch? Das war nicht möglich, denn diese Ursache wäre sicherlich auch von Nachbarn bemerkt worden, und Reaktionen hatte es nicht gegeben. Er glaubte zudem nicht daran, daß er allein den Blutgeruch wahrnahm, dafür gab es keine vernünftige Erklärung.
Aber er war da, und er blieb auch!
Ebenso wie Eddy, der nicht unbedingt aufstehen und in die Firma fahren mußte. Als Außendienstler konnte er sich seine Zeit einteilen. Der erste Termin lag ziemlich spät, gegen Mittag. Bis dahin waren es noch einige Stunden.
Er schaffte es, sich zusammenzureißen. Ganz ruhig, als wäre nichts geschehen, blieb er am Frühstückstisch sitzen. Nur seine Augen bewegten sich, sie waren auf der Suche nach der Ursache. Sie sollten die Quelle des Geruchs ausfindig machen, doch es gab keine, zumindest sah er sie nicht.
Da er sich schon zur Ruhe gezwungen hatte, tat er so, als wäre alles völlig normal. Er ließ seinen Blick über den Tisch wandern, auf dem das Frühstück stand.
Da schimmerte der Kaffee braun in der Tasse. Daneben stand der Teller mit dem Brot, das sich Eddy gerade mit Konfitüre hatte bestreichen wollen. Das Frühstücksei hatte er gegessen. Die Eierschalen lagen auf dem Becher. Da war das blanke Besteck; auf der Warmhalteplatte schimmerte die metallene Kanne, und selbst an den Orangensaft hatte er gedacht, denn Eddy war ein Mensch, der sehr gern und auch intensiv frühstückte. Er gehörte nicht zu den Junggesellen, die hastig ihren Kaffee im Stehen tranken, sich dabei noch anzogen und aus der Wohnung eilten. Für ihn mußte der Tag mit einem gewissen Ritual beginnen.
Ach ja, und die Zeitung lag noch auf dem Tisch. Doch gelesen hatte er sie noch nicht.
Eddy stand auf.
Ruckartig, wie jemand, der sich zu einer bestimmten Tat entschlossen hatte. Bei Eddy war es der Gang zum Fenster. Er wollte es ganz öffnen, sich hinauslehnen, um herauszufinden, woher dieser verfluchte Geruch stammte.
Figueras hatte den Eindruck, daß sich der Geruch abschwächte, je näher er dem Fenster kam. Er konnte sich auch irren, so genau wollte er sich da nicht festlegen.
Die kalte Novemberluft traf ihn. Figueras wohnte im Erdgeschoß. Von der Küche aus schaute er auf die kleine Grünfläche, die zwischen den vor kurzem erst fertiggestellten Häusern angelegt worden war. Wer hier lebte, mußte schon gut verdienen, denn die Mieten waren nicht niedrig.
Eddy schob die Gardine zur Seite und öffnete das Fenster ganz. Er schaute auf die Parkplätze, wo nur wenige Fahrzeuge standen. Er sah die Buschreihen, die die Parktaschen voneinander trennten, und er sah den Hausmeister, der mit einem breiten Besen das Herbstlaub zusammenfegte.
Der Mann schaute zufällig in Eddys Richtung, sah ihn und winkte. Eddy kannte den Hausmeister nur als einen leutseligen Menschen. Wäre dem etwas aufgefallen, hätte er sicherlich auch einige Worte gesagt, so aber war es beim nachbarschaftlichen Winken geblieben.
Eddy blieb am Fenster. Er drehte seinen Kopf nach rechts, anschließend in die andere Richtung. Er nahm die frische Herbstluft wahr, durch die auch noch der Geruch des feuchtfauligen Laubs schwebte, der für diese Jahreszeit so typisch war.
Aber kein Blutgestank.
Dem Hausmeister war aufgefallen, daß Figueras noch immer am Fenster stand. Er lehnte seinen Besen gegen die Mauer, wischte die Handflächen am Stoff des grauen Kittels ab und schlenderte auf den Mieter zu. Er schaute den Mann mit den schwarzen, lockigen Haaren an, der seine spanische Herkunft nicht verbergen konnte. Der Hausmeister beneidete ihn wegen seiner dunklen Hautfarbe.
»Keine Termine heute, Mr. Figueras?«
»Schon, George, aber nicht heute morgen.«
»Das ist gut.«
»Dafür arbeite ich oft bis in die Nacht hinein. Irgendwo gleicht sich wieder alles aus.«
»Da haben Sie recht.«
Figueras lächelte etwas kantig. Er war nicht auf den Mund gefallen, das durfte er in seinem Job auch nicht, aber in diesem Moment fiel ihm nicht ein, wie er den Hausmeister auf ein bestimmtes Thema ansprechen sollte. Er bot ihm deshalb eine Zigarette an.
»Danke, die nehme ich gern.«
»Ist auch ein anderer Geruch«, sagte Eddy, beugte sich vor, um George das Feuerzeug zu reichen.
»Wie meinen Sie das, Mr. Figueras?«
»Nur so.«
»Stört Sie was?« George blieb mit seiner Frage am Ball. Er merkte nicht, daß er Eddy damit einen Gefallen getan hatte, obwohl der noch immer nicht so recht mit der Sprache heraus wollte.
»Was heißt stören, George? Ich hatte vorhin den Eindruck, als
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