Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
Vielleicht war er ja außerhalb der Schule anders und würde sie womöglich sogar ansprechen.
Die Türglocke läutete zwei Mal und Marris Herzschlag setzte aus.
„Sie sind da“, sagte sie fast hysterisch und sprühte sich die letzte Schicht Haarlack über den Kopf. Einige Extraspritzer Parfüm, und sie war endlich bereit, sich ins Nachleben zu stürzen.
„Passt schön auf unsere Mädchen auf, hört ihr!“ Als Marri und Sydney die Treppen hinuntersahen, hielt Jack bereits seine bekannte Vaterrede und fuchtelte ermahnend mit dem Zeigefinger hin und her.
„Sie haben unser Wort, Mr. Goodwin“, sagte Elias, und Aragon nickte zustimmend mit dem Kopf.
„Wir sind so weit“, verkündete Marri triumphierend und ging aufgeregt und mit schlotternden Knien die Treppe hinunter.
Die ganze Stadt schien in der heutigen Nacht draußen zu sein. Mancher Bewohner war bereits angetrunken oder auf dem besten Weg dahin. Viele von ihnen waren verkleidet, und Sydney kam sich vor, als ob sie gerade auf einer Halloween-Party wäre, jedoch mit dem einzigen Unterschied, dass sich bei diesem Fest nicht die Kinder, sondern vor allem die Erwachsene ausgelassen benahmen.
Die Innenstadt sah am schönsten aus. Ein Meer aus Lichterketten schmückte die Hausfassaden und ließ die Nacht zu einem bunten Lichterfest werden. Die Besitzer der kleinen Läden in der Einkaufsstraße von Portland hatten ihre Aufgabe mit Bravour gemeistert. Sydney staunte über die Schönheit der Läden, die nun kein trostloses und langweiliges, sondern ein fröhliches und aufmunterndes Bild vermittelten.
Der Menschenstrom schien in eine bestimmte Richtung zu laufen. Dort war wohl der Mittelpunkt des festlichen Geschehens. Elias und Aragon schlugen ohne Umwege die gleiche Richtung ein, obwohl man auch denken konnte, dass sie dabei einfach dem Strom der Menschenmasse folgten.
Nach mehreren Umwegen wurde auch Sydney klar, wieso das Fest bei den Bewohnern so beliebt war. Vor ihnen erstreckte sich ein Meer an Spielbuden, Kiosken, die Süßwaren und andere Leckereien verkauften, Karussellen jeder Art und Attraktionen, die von einem Gruselkabinett bis zu einer lustigen Sketchshow reichten. Es war ein Paradies für jeden, der Spaß haben wollte, und eine willkommene Abwechslung für eine unglücklich verliebte Person wie Sydney. Nichts konnte einen besser aufmuntern als ein kandierter Apfel und Autoskooter, dachte Sydney bei sich und lächelte entspannt. Ihre Schwester sah das Grinsen, ahmte es nach und packte sie am Arm.
„Los, ich kann’s kaum abwarten. Was sollen wir ans Erstes ausprobieren?“ Marri hielt Sydney am Oberarm und zerrte sie hinter sich als sie ihre Gehgeschwindigkeit erhöhte und fast zu rennen begann.
„Halt, nicht so schnell“, rief Sydney zurück, doch es war bereits zu spät. Sie rannte ihrer Stiefschwester hinterher und versuchte, mit ihr Schritt zu halten.
Bevor Sydney sich versah, saß sie bereits mit einem vor Zucker triefenden roten Apfel in der Hand auf dem Beifahrersitz eines blauen Flitzers. Es war ihr ein Rätsel, wie Elias erraten konnte, worauf sie Lust hatte. Kurz nach ihrer Ankunft auf dem Festgelände hatte er mit einem breiten Grinsen neben ihr gestanden und ihr den kandierten Apfel entgegengehalten. Er selbst gönnte sich eine in dünne Teighaut eingewickelte und mit Schokoladenguss umzogene Banane, die bereits zu einem Drittel vertilgt war.
Die Winson-Brüder saßen in einem blauen Skooter und schauten gierig in Richtung der Mädchen. Sie waren fest entschlossen, ihnen zu beweisen, dass Männer die besseren Autofahrer seien, auch wenn es sich dabei nur um eine Miniaturausgabe derselben handelte. Marri hielt das Lenkrad fest umklammert und wollte die Herausforderung annehmen und die selbstsicheren Jungs vom Gegenteil überzeugen.
„Halte deinen Apfel gut fest, es wird gleich das eine oder andere Mal heftig rumpeln“, sagte Marri und richtete ihren Blick starr nach vorne, ihre Gegner nicht aus den Augen lassend.
Jedes Mal, wenn die kleinen Wagen aneinanderstießen, mussten Sydney und Marri lachen. Spielerisch lenkte Marri das Auto und wendete geschickt, um die beiden Jungs zu überraschen und sie von der Seite anzufahren. Sydneys Nackenmuskulatur war nicht besonders erfreut über die Zusammenstöße. Ihr Kopf schwankte oft von einer Seite zur anderen, und mindestens ein Mal konnte sie sogar ein leises und dennoch deutlich spürbares Knacken in der Wirbelregion hören. Auch wenn es einen Riesenspaß machte – ein weiteres
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