Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
zu seiner Komplizin gemacht. Und nun, nachdem er die Wahrheit mit der Wucht eines riesigen, alles zermahlenden Felsbrockens auf sie hatte niederstürzen lassen, lehnte er sich zurück und betrachtete das Ergebnis mit eiskalter Genugtuung. Warum konnte Jace nicht begreifen, wie abscheulich dieser Mann war?
»Sag mir, dass es nicht wahr ist«, meinte Jace und starrte auf das Tischtuch.
Clary musste schlucken, um das Brennen aus ihrer Kehle zu vertreiben. »Das kann ich nicht.«
»Du gibst also zu, dass ich die ganze Zeit die Wahrheit gesagt habe?«, fragte Valentin und klang, als ob er dabei lächelte.
»Nein«, fauchte sie zurück, ohne ihn anzuschauen. »Du verbreitest Lügen, vermischt mit ein klein wenig Wahrheit – und nichts anderes.«
»Das wird langsam langweilig«, näselte Valentin. »Wenn du unbedingt die Wahrheit hören willst, Clarissa – bitte, das ist die Wahrheit. Du hast Geschichten über den Aufstand gehört und deshalb glaubst du, dass ich der Bösewicht bin. Oder stimmt das etwa nicht?«
Clary antwortete nicht. Sie schaute Jace an, der so aussah, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. Aber Valentin fuhr unerbittlich fort. »Eigentlich ist es ganz einfach. Die Geschichte, die du gehört hast, stimmt in einigen, aber nicht in allen Teilen – Lügen, vermischt mit ein wenig Wahrheit, so wie du gesagt hast. Tatsache bleibt jedoch, dass Michael Wayland niemals der Vater von Jace war oder gewesen ist. Ich habe Michaels Namen an- und seinen Platz eingenommen, als ich mit meinem Sohn aus der Gläsernen Stadt floh. Es war nicht schwer; Wayland hatte keine nahen Verwandten mehr und seine engsten Freunde, die Lightwoods, lebten im Exil. Er selbst war aufgrund seiner Beteiligung am Aufstand in Ungnade gefallen, also lebte ich ein Leben in der Verbannung, in aller Stille, zusammen mit Jace auf dem Gut der Waylands.
Ich las meine Bücher. Ich erzog meinen Sohn. Und ich wartete, bis meine Zeit gekommen war.« Nachdenklich fuhren seine Finger über den kunstvoll verzierten Rand des Weinglases. Clary fiel auf, dass er Linkshänder war – genau wie Jace. »Zehn Jahre später erhielt ich einen Brief. Der Schreiber dieser Zeilen deutete an, dass er meine wahre Identität kenne und sie enthüllen würde, wenn ich nicht bereit wäre, bestimmte Dinge zu tun. Ich wusste nicht, woher dieser Brief kam, aber das spielte auch keine Rolle: Ich war nicht bereit, die Forderungen des Verfassers zu erfüllen. Abgesehen davon war mir klar, dass von nun an meine Sicherheit gefährdet sein würde, bis er mich endgültig für tot halten würde, mich sozusagen außerhalb seines Einflusses glaubte. Also inszenierte ich meinen Tod ein weiteres Mal, mit der Hilfe von Blackwell und Pangborn, und sorgte zu Jaces’ Schutz dafür, dass er hierher geschickt wurde, in die Obhut der Lightwoods.« »Du hast Jace also glauben lassen, dass du tot bist? Du hast ihn all die Jahre leiden lassen? Das ist ja widerlich.«
»Nicht«, sagte Jace dumpf. Er hatte seine Hände vors Gesicht gehoben und sprach durch die Finger. »Hör auf, Clary.« Valentin betrachtete seinen Sohn mit einem Lächeln, das Jace nicht sehen konnte. »Es stimmt – Jonathan musste glauben, dass ich tot sei. Er musste davon überzeugt sein, dass er Michael Waylands Sohn war, sonst hätten die Lightwoods ihn nicht so fürsorglich behandelt. Schließlich standen sie in Michaels Schuld, nicht in meiner. Sie haben Jace um Michaels willen geliebt, nicht um meinetwillen.«
»Vielleicht haben sie ihn einfach um seiner selbst willen geliebt«, erwiderte Clary.
»Eine bewunderswert sentimentale Interpretation«, sagte Valentin, »aber höchst unwahrscheinlich. Du kennst die Lightwoods nicht so, wie ich sie einst gekannt habe.« Entweder sah er nicht, wie Jace zusammenzuckte, oder er ignorierte dessen Reaktion ganz bewusst. »Letztlich ist es auch völlig unerheblich«, fügte er hinzu. »Die Lightwoods waren als Schutz für Jace gedacht, nicht als dessen Ersatzfamilie. Er hat eine Familie. Er hat einen Vater.«
Jace gab einen kehligen Laut von sich und nahm die Hände vom Gesicht. »Und Mutter …«
»Ist nach dem Aufstand geflohen«, sagte Valentin. »Ich war ein entehrter Mann. Hätte man gewusst, dass ich am Leben war, hätte der Rat mich verfolgt und zur Strecke gebracht. Sie ertrug den Gedanken nicht, auf ewig in einem Atemzug mit mir genannt zu werden, und floh.« Der Schmerz in seiner Stimme war deutlich
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