Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
herrscht.«
Humboldt richtete drohend seinen Finger auf den fetten Herrscher. »Ich werde Sie beim Wort nehmen, Bhamban. Denn es wird Sie sicher freuen zu hören, dass ich es gefunden habe.«
Humboldt nahm dem völlig überraschten Oskar den Stein wieder aus der Hand und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen die Wand des Tempels.
Ein dumpfes Dröhnen, wie von einer mächtigen Glocke, war zu hören. Es war so laut und durchdringend, dass Charlotte zuerst glaubte, der Blitz habe in den Tempel eingeschlagen. Voller Verwunderung sah sie, wie ihr Onkel an die entfernte Seite des Gebäudes ging und anfing, die Wände mit seinem Stock von Moosen, Flechten und Ranken zu befreien. Die Schicht aus Pflanzen, Lehm und Staub war mehrere Zentimeter dick. Es dauerte eine ganze Weile, bis er eine Fläche von schätzungsweise einem Meter freigelegt hatte. Dann ging er hinüber zur anderen Seite und wiederholte den Vorgang. Wo immer er anfing zu kratzen, schimmerte es golden darunter.
Charlotte hielt den Atem an. Der ganze Tempel – das gesamte Gebäude – bestand aus Gold.
»Hier ist euer Eigentum, König Lamarok. König Sukarno wusste, dass ein solch gewaltiger Schatz über kurz oder lang Feinde anlocken würde. Daher beschloss er, die Münzen einzuschmelzen und Barren daraus zu gießen. Aus ihnen erbaute er dann die Schatzkammer. Das Gold hat seinen Platz also nie verlassen. Nehmt es, es ist euer. Reißt den Tempel nieder und nehmt alles mit. Aber denken Sie an Ihr Versprechen. Genau wie du, Dimal. Denkt beide daran, dass dieses Gold bisher nur Unglück gebracht hat.«
Die Anak schwärmten aus und begannen damit, die Pflanzen und den Schmutz von den Wänden zu reißen. Mit übermenschlicher Kraft brachen sie einzelne Barren aus den Wänden. Der Stapel in der Mitte des Saales wurde größer und größer. Charlottes Blick wanderte zu Bhamban. Der König beobachtete das Treiben aus blutunterlaufenen Augen. Seine Haut glänzte vor Schweiß, in seinem Blick lag ein fiebriger Glanz. Gerade als einer der Anak damit begann, den Boden aufzureißen, hielt er es nicht mehr aus. »Halt«, schrie er. »Stopp! Hört sofort damit auf. Der Vertrag ist ungültig. Er wurde zwischen den falschen Personen geschlossen. Ich bin der König und ich habe meine Einwilligung nie dazu gegeben.« Er hob den Kopf. »Im Namen meiner Vorväter befehle ich euch, meinen Palast sofort zu verlassen. Nie wieder wird einer von eurer verfluchten Brut meinen Besitz betreten oder auch nur einen Stein von hier entwenden. Er gehört mir. Mir allein.«
»Wenn Sie sich da mal nicht täuschen«, sagte Humboldt. »Ich habe gewusst, dass man Ihnen nicht trauen kann. Vermutlich haben Sie bis zum letzten Moment daran gezweifelt, dass ich den Schatz wirklich gefunden habe. Und was den Vertrag betrifft: Er ist absolut gültig. Das Gold ist nicht Ihr Privatbesitz. Es ist Eigentum des Volkes der Tunggal. Und so wie Sie Nachkomme König Sukarnos sind, so ist Dimal ein Nachkomme von Ihnen. Die Blutlinie bleibt gewahrt. Allein das zählt. Dimal wird der neue König und er wird sein Versprechen halten.«
Dimal nickte. »Das werde ich. Und ich werde dafür sorgen, dass du den Pakt nicht brechen wirst, Vater.«
Mit einer Bewegung, so schnell, dass Charlotte sie ihm nie zugetraut hätte, riss Bhamban eine Klinge unter seinem Sarong heraus und stürzte sich auf seinen Sohn. Es ging alles so schnell, dass niemand eingreifen konnte. Niemand außer Lamarok. Der Steinerne ließ seinen Stab herabfahren und schlug Bhamban die Klinge aus der Hand. Klirrend fiel sie auf den Haufen aus Gold.
Dimal stand da wie vom Donner gerührt. »Hofmarschall.«
Der Beamte trat vor, seine Hände in Demut gefaltet.
»Ihr wünscht, Euer Hoheit?«
»Ich möchte, dass mein Vater in Gewahrsam genommen wird. Er hat sich des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht und wissentlich Schande auf unser Haus geladen. Er muss sich vor Gericht verantworten, so wie jeder andere Verbrecher auch. Solange, bis das Urteil gefällt wird, werde ich die Amtsgeschäfte fortführen. Wenn das hohe Gericht zu dem Schluss kommt, dass ein neuer König gewählt werden soll, so werde ich mich meiner Verantwortung nicht entziehen.«
»Dimal …« Bhamban starrte seinen Sohn an.
»Du hast mir die Augen geöffnet, Vater. Ich weiß, du hältst mich für einen Weichling und Versager, aber ich hatte lange Zeit, dich zu beobachten. Dein ganzes Leben lang hast du gelogen und betrogen. Ich dachte immer, es geschähe alles nur zum Wohle der
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