Ciao, Don Camillo
finster:
»Hochwürden, ich hoffe, daß es Euch in einem Augenblick wie diesem gelingen wird, Eure politische Aufwiegelei zu vergessen und Euch daran zu erinnern, daß Ihr ein Priester seid.«
»Um was für einen besonderen Augenblick soll es sich da handeln?« erkundigte sich Don Camillo und zündete sich einen Zigarillo an.
»Mein Jüngster ist seit sieben Uhr früh von zu Hause weg. Man hat ihn in den Bus einsteigen sehen, und dann hat man nichts mehr von ihm gesehen und gehört. Wir haben überall wie verrückt gesucht, und wir wissen nicht mehr, was wir jetzt noch tun könnten.«
Don Camillo zuckte die Achseln:
»Er ist mit dem Bus in die Stadt gefahren?«
»Ja, man hat ihn in der Stadt aussteigen sehen.«
»Die Tage zuvor ist er vielleicht etwa nicht in die Stadt gefahren, um die Aufnahmeprüfung in die Mittelschule zu machen?«
»Ja.«
»Dann kann man sich leicht vorstellen, was geschehen ist«, erklärte Don Camillo mit schamloser Gleichgültigkeit. »Er wird sich nach dem Ausgang der Prüfung erkundigt haben. Und da er der Sohn eines Dummkopfs mit einer Birne voller Sägemehl ist, wird er durchgefallen sein und wird – wie man dauernd in den Zeitungen liest –, statt nach Hause zurückzukehren, wer weiß wohin davongerannt sein. Das passiert eben, wenn die Kinder einen gewalttätigen Vater haben, der sie terrorisiert.«
Peppone tat einen Sprung:
»Ich ihn terrorisieren? Wo ich doch niemals mit ihm geschimpft habe!« brüllte er verzweifelt.
»Nein? Und die Sache mit dem ersten Bürger, der der erste Schüler des Orts sein muß?«
Peppone erblaßte:
»Ich«, stotterte er, »das habe ich ihm so gesagt… ein wenig zum Scherz und ein wenig, um ihm Mut zu machen…«
»Kinder verstehen keine Scherze«, stellte Don Camillo fest und breitete die Arme weit aus. »Man muß auf die Worte achten. Wenn ein Vater, der das Unglück hat, Kommunist zu sein, mit seinem Sohn spricht, dann muß er für einen kurzen Augenblick das Gehirn von dem darin abgelagerten Parteigerümpel frei machen und versuchen, wie ein normales Lebewesen zu denken… Aber nun ist es viel zu spät. Es könnte ja auch sein, daß der arme Kerl sich in den Po oder unter einen Zug gestürzt hat… «
Peppone krachte aufs Sofa, und Don Camillo hatte für einen Moment Angst, etwas übertrieben zu haben.
»Es könnte auch sein«, setzte er eilig fort, »daß er im Dorf ist, in einem Haus von irgend jemandem versteckt.«
»Und wo?« brüllte Peppone. »Wo, wenn ich die Häuser eins nach dem anderen habe aufsuchen lassen? Hochwürden, warum, anstatt mich zu foltern, helft Ihr mir nicht, ihn zu suchen?«
»Aus dem einfachen Grund, weil ich ihn bereits gefunden habe«, erklärte Don Camillo.
»Hochwürden, gebt mir etwas zu trinken, oder mir bleibt die Luft weg!« keuchte Peppone.
Don Camillo reichte ihm schnöde die Wasserflasche, die auf dem Tisch stand.
»Nein«, keuchte Peppone nochmals. »Etwas zu trinken!…«
Don Camillo stand widerwillig auf und stöberte in der Kommode.
»Ich sehe nicht ein«, protestierte er, »warum ich meine letzte Flasche Lambrusco opfern sollte, weil der Sohn eines tausendmal verdammten Kommunisten im Oktober Wiederholungsprüfungen hat!«
Nach drei Gläsern fand Peppone seine Ruhe wieder:
»Wiederholungsprüfungen, nicht durchgefallen?« erkundigte er sich.
»Wiederholungsprüfungen im Oktober.«
»In wie vielen Fächern?«
»In zwei.«
»In wichtigen?«
»Nein. In Italienisch, das er überhaupt nicht braucht, weil er der Sohn von jemandem ist, der für die Russen arbeitet. Und in Geschichte, was er noch weniger braucht, weil er der Sohn von jemandem ist, der als Kommunist sich die Geschichte nach den Direktiven der Partei zurechtzimmert.«
Peppone hatte heute keine Lust zu polemisieren.
»Hoffen wir, daß er sich nicht eine fixe Idee daraus macht«, sagte er. »Ich möchte nicht, daß er sich wie ein Verrückter auf die Bücher stürzt und mir etwa noch krank wird.«
»Ich werde schon das meine tun, um ihn zu überzeugen, daß er die Dinge in aller Ruhe angehen soll«, versicherte ihm Don Camillo.
»Gott möge mir beistehen«, kommentierte Peppone.
»Das hat er schon getan«, behauptete Don Camillo kategorisch.
Peppone stand auf und ging, ohne etwas zu sagen.
Und Don Camillo ließ ihn gehen und sah, wie er in den Feldern verschwand.
Das Tagebuch eines Landpfarrers
Der Grobe schaute die Wand an und zuckte dann die Achseln.
»Na und?« fragte Don Camillo.
»Ich weiß nicht«, erwiderte
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