Ciao, Don Camillo
Peppone drehte sich um:
»Ruhe, Jungs«, sagte er mit autoritärem Ton, »hier stehen wir vor einer demokratischen Verwaltung, und Drohungen verfehlen ihr Ziel.«
Der Grobe, der Graue und der Rest der Bande hatten sich um Peppone herum niedergesetzt und betrachteten ihn schweigend.
»Chef«, sagte dann der Grobe finster, »warum hast du uns verlassen?«
»Ich habe niemanden verlassen!«
»Was sollen wir wegen der neuen Straße tun? Hier ist die Antwort des Ministeriums.«
Der Grobe reichte einen Zettel an Peppone weiter, der ihn an sich nahm und las.
»Solange gewisse Leute an der Regierung sind, wird man niemals etwas Anständiges machen können!« stellte Peppone fest.
»Ziehen Sie nicht Verwaltungsangelegenheiten ins Politische!« schrie Spiletti. »Machen Sie lieber einen konkreten Vorschlag!«
»Den haben wir schon seinerzeit gemacht«, sagte der Graue.
»Hinter dem demagogischen Herumballern steckt nichts Konkretes!« schrie Spiletti.
Der Schmächtige erwiderte.
Da griff Peppone ein, und die Diskussion beruhigte sich.
Und so fand die außergewöhnlichste Gemeinderatssitzung der Welt zwischen den Trümmern eines Mailänder Abbruchhauses statt. Es war eine langwierige Angelegenheit, und der Wächter sagte, als es fünf Uhr war, daß er nichts von etwaigen Geschichten wissen wollte und daß er die Baustelle schließen müßte. Da übersiedelte der Gemeinderat – die Opposition mit Inbegriffen – in den Laderaum von Peppones Lastwagen. Peppone stieg in die Kabine und startete den Motor:
»Suchen wir uns einen ruhigeren Ort«, sagte er.
Man weiß nicht, wie es geschehen konnte, aber vielleicht war es die dürftige Kenntnis der Mailänder Topographie – Tatsache war jedenfalls, daß der Lastwagen sich plötzlich auf der Via Emilia befand. Peppone saß am Lenkrad mit zusammengebissenen Zähnen. Er wollte seit langem etwas sagen, aber er konnte es nicht.
Plötzlich bremste er abrupt. Einer der üblichen verdammten Autostopper hatte sich vor ihn hingestellt und gab mit dem Daumen das Zeichen, daß auch er in dieselbe Richtung wollte. In der linken Hand hielt er einen Panettone-Kuchen und einen Luftballon aus dem Kaufhaus »Rinascente«. Auf dem Kopf trug er einen Priesterhut.
Der Schmächtige, der neben Peppone gesessen hatte, stieg aus und nahm im Laderaum gemeinsam mit dem übrigen Gemeinderat Platz.
Don Camillo stieg ein, Peppone legte den Gang ein und fuhr mit einem gewaltigen Ruck wie ein Panzer los.
»Müssen mir denn immer gewisse Leute über den Weg laufen?« brummte er.
Der Lastwagen schien ein sechzehnzylindriges Rennauto und erweckte den Eindruck, daß unter der Haube statt eines Motors ein ganzes Orchester unter Arturo Toscanini drinsteckte.
Mit einemmal zeigte sich in der Ferne hinter dem Uferdamm der Fluß. Der Fluß war derselbe wie vor hunderttausend Jahren. Auch die Sonne, sie ging unter, aber morgen würde sie auf der anderen Seite wieder aufgehen. An diese außergewöhnliche Tatsache dachte Peppone – wer weiß warum – gerade jetzt, und er sagte zu sich selbst, daß Gott – um bei der Wahrheit zu bleiben – doch einer ist, der sich auskennt.
»Tja…« seufzte er.
»Schließlich…« antwortete Don Camillo und breitete die Arme aus. Der große Fluß war angeschwollen mit schlammigem Wasser, und er glänzte zwischen den Pappeln. Und als der Fluß dieses Gespräch bis zum Ende mit angehört hatte, flüsterte er befriedigt: »Wie diese Leute da gut sprechen können!« Das sind Dinge, die in diesem Dorf am Ufer des Flusses geschehen können, in diesem kleinen Dorf, das so groß sein sollte wie die Welt.
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