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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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einsetzte, sammelten sich die Stare, stiegen in kleinen Schwärmen am dunstigen Horizont auf, um in immer größeren Verbänden herbeizuströmen als sei das hier der Nabel ihrer Welt; minutenlang kreisten sie dann, meist mehrere hundert Tiere, und ich öffnete die Fenster, um das Schwirren ihrer Flügel zu hören. Nacheinander stießen sie in Trauben herab, einen Platz für die Nacht suchend in der von Efeu überwucherten Backsteinwand, die zum nächsten Wohnblock gehörte. Dann blieben die Einkaufenden mit einem Mal stehen, das Klirren der Flaschen hörte auf, solange die Blicke mit einer Mischung von Unglauben, Unbehagen und Unverständnis auf die ihren Ruheplatz anstrebenden Vogelschwärme gebannt waren. Ich sah gerne hinunter zu dieser Zeit, fühlte mich wohl.

    Das Studentenwohnheim in der Landeshauptstadt, eine halbe Autostunde stromabwärts, hatte ich aus einem einfachen Grund verlassen müssen: Ich studierte nicht mehr. Es war so etwas wie ein spontaner, gleichzeitig unumstößlicher Entschluss gewesen, obwohl ich mich in dem schmalen Wohnheimzimmer mit der angegilbten Raufasertapete und den an löchrig metallenen Trägern befestigten Wandregalen immer wohl gefühlt hatte. Darüber hinaus gab es anderes, das mir gut in Erinnerung bleibt: Regentage in der Ruhe der Bibliothek, die Konzentration, die gelegentlich in einem vollen Hörsaal zu spüren ist, Kreidestaub vor dunkler Tafel im Licht eines blassen Tages. In einem Seminar Stunden auf einen einzigen Kartenausschnitt befasst sein, um ihm so viele Informationen wie möglich abzuringen. Ein Professor, wie er angesichts des für ihn unbegreiflichen Unwissens eines Studenten um Fassung kämpft, um dann resignierend zu stottern: Sie – Sie Maus, Sie. Vor allem aber gewisse grundlegende Überzeugungen, die mit der Bedeutung und dem Wert des Wissens zu tun haben, und die umso wertvoller sind, je mehr sie gelebt und je seltener sie ausgesprochen werden.
    Mathematik, dann Philosophie, Geographie, P olitologie, ein bisschen Physik – es gab eine Zeit voller Enthusiasmus, doch die war schon lange vorbei, und ich war mir sicher, sie würde nicht wiederkommen. Zu groß war schon die Distanz, zu wenig ernst nahm ich den Universitätsbetrieb, auch dieser eine kleine Welt in der Welt. Es hätte trotzdem noch eine Weile so weitergehen können; aus unerfindlichen Gründen bot man mir trotz meines wenig zielgerichteten Werdegangs sogar eine Stelle als studentische Hilfskraft an, und eine Zeit lang sah ich die Möglichkeit, Karriere am Institut zu machen.
    Der Professor, bei dem ich tä tig war, hieß Suntinger. Mäßig einfallsreich wurde er gerne Sonnentiger genannt, da die meisten seiner großen Exkursionen in für Studenten nicht leicht erschwingliche, trotzdem nicht weniger beliebte südliche Gefilde führten. Im heimischen Institutsalltag war er liebenswert und leicht zerstreut, wie es dem Klischee und seinem fortgeschrittenen Alter entsprach; jenseits der Landesgrenzen jedoch lernten ihn seine Studenten als gestrengen Organisator kennen. Schlafen im Bus verboten, auch auf Vierzehnstundenfahrten. Pünktlichkeit oberstes Gebot. Wer fehlte, der blieb zurück. Vermutlich wollte er einfach jeden Vorwurf im Keim ersticken, es handele sich bei seinen Exkursionen um gemütliche Ferienreisen. Es war im Frühjahr, in einer Kleinstadt im nicht eben sicheren Norden Sri Lankas, als der die spärliche Freizeit immer bis zum Letzten ausreizende Campori nicht pünktlich im Bus saß. Eine knappe Minute verstrich, dann deutete Suntinger dem Busfahrer, einem Singhalesen, und unter Protestgemurmel der Studenten schloss der die Tür und ließ den Motor an: Schließlich verstand er weder den Widerspruch, noch was Menschen antrieb, sich in dieses zerrissene Gebiet zu wagen.
    „ Oder weiß irgendjemand einen Grund, warum wir noch warten sollten?“ Nur diese an und für sich stupide Neigung, Worte in ihrem unmittelbaren Sinn zu verstehen, ließ mich die Frage beantworten: Wir kannten den Grund für seine Verspätung nicht, er benötigte vielleicht Hilfe, und wir waren für ihn verantwortlich.
    Vieles hä tte ich vorbringen können – Suntinger wäre insgeheim wahrscheinlich froh gewesen: Durchfall, Ohnmacht, gerissene Schuhbänder. Aber keinesfalls etwas Abstraktes. Zwei Minuten später war er da, Campori, im Eilschritt; Erleichterung allerseits. Und ich war meinen Hilfsjob, den unverzichtbaren ersten Schritt einer Universitätskarriere, im Prinzip bereits los.
    Ich trö stete mich damit,

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