City Vampire: Gefährliches Spiel in Paris (German Edition)
begeistert von dieser aufregenden Welt, in der Victor lebte. Sie sah eine Chance, die sich ihr bot, und so lernte sie alle seine Tricks und Techniken. Victor war ein guter Lehrer und durch ihr natürliches Geschick war sie schon bald um ein Vielfaches besser als er. Als Victor zwei Jahre später aus dem Geschäft ausstieg, trennten sich ihre Wege, doch Elaine blieb in der Branche. Sie übernahm einige Aufträge von Victors ehemaligen Auftraggebern und wurde zu einer der besten Kunstdiebinnen ihrer Zeit.
Vor einem Jahr jedoch beschloss Elaine auszusteigen – das Geschäft wurde mit der Zeit einfach zu heiß. Bei ihrem letzten Job wäre sie um ein Haar geschnappt worden. Was würde dann aus Mathis? Außerdem war sie sparsam gewesen und hatte ein wenig Geld beiseitegelegt. Es war kein Vermögen, reichte aber, damit sie und ihr Bruder die nächsten paar Jahre ein Polster für Notfälle hatten, um schlechte Zeiten zu überbrücken. Sie nahm eine Stelle als Kellnerin an und ließ ihre Vergangenheit hinter sich – bis heute.
Als Elaine vor dem kleinen Häuschen ihrer Eltern angekommen war, in dem sie mit Mathis noch immer lebte, blieb sie noch eine ganze Weile im Wagen sitzen. Der Regen prasselte laut auf das Dach, doch das Geräusch hatte etwas Beruhigendes an sich, etwas normales. Man konnte nichts dagegen tun, es nur annehmen und abwarten, bis die Wolken vorübergezogen waren. Und die Natur war so viel stärker als man selbst. Zuweilen empfand es Elaine als überaus angenehm, sich auf diese Weise treiben zu lassen, sich einfach den Dingen zu ergeben, die man ohnehin nicht ändern konnte. Sie fühlte sich dann als ein Teil davon, vielleicht sogar als Teil des großen Ganzen. Es nahm die Sorgen fort.
Als der Regen schließlich nachließ, stieg sie endlich aus und ging hinein. Elaine schaltete alle Lichter an, denn sie fühlte sich schrecklich allein. Sie konnte sich nicht daran erinnern, je ohne ihren Bruder gewesen zu sein. Sie war nie mit Freundinnen in den Urlaub gefahren oder zum Tanzen ausgegangen, der kleine Mathis hatte sie immer gebraucht. Und sie war da gewesen. Sie würde auch diesmal für ihn da sein. Sie würde tun, was man von ihr verlangte.
Elaine setzte sich an den hölzernen Küchentisch und betrachtete den braunen, unscheinbaren Umschlag in ihrer Hand. Vorsichtig öffnete sie das durch den Regen aufgeweichte Papier und zog die Unterlagen, die darin waren, heraus. Auf dem obersten Blatt stand eine Adresse – Elaine kannte die Gegend. Sehr vornehm. Der Eigentümer der Villa war ein gewisser Laurent Fournier. Elaine hatte noch nie von ihm gehört, obwohl sie die Namen der meisten Kunstsammler kannte – nicht nur in Paris. Das war so etwas wie eine Berufskrankheit. Entweder besaß der Mann keine nennenswerten Stücke oder er verstand es, im Verborgenen zu bleiben, überlegte sie.
Elaine fand den Grundriss seines Hauses und betrachtete ihn eingehend. Es war eine im klassischen Stil der Renaissance erbaute Villa, ein prachtvolles, großes Gebäude mit Giebeln, Erkern und einem Vorbau, der auf Säulen ruhte. Elaine schnalzte mit der Zunge. Dieser Fournier war offensichtlich wohlhabend. Auf einem weiteren Blatt standen Informationen und Typenbezeichnung zu der eingebauten Alarmanlage. Dieser Jerome, so widerlich er sein mochte, hatte die Wahrheit gesagt. Sie würde sie leicht ausschalten können. Erstaunlich, dass das Haus nicht deutlich besser gesichert war. Wer würde in einer teuren Villa wohnen und wertvolle Gegenstände sammeln, jedoch an den Sicherheitsmaßnahmen sparen?
Das wirklich Interessante jedoch war, was sie stehlen sollte: Ein Porträt der Königin Blanka. Elaine glaubte zunächst, sich verlesen zu haben. Aber nein. Es stand wirklich dort, schwarz auf weiß. Erstaunt zog Elaine die Augenbrauen hoch. Blanka war eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen, ohne Frage. Blanka, die Glänzende, dachte Elaine. Sie musste eine Frau mit großer Ausstrahlungskraft gewesen sein, schließlich war sie die erste weibliche Regentin Frankreichs. Blanka zeigte in ihrem Leben eine erstaunliche Durchsetzungskraft, so hieß es. Bereits als Kind von zwölf Jahren wurde sie von ihrer Heimat Kastilien nach Frankreich geschickt, um dort im Jahre 1200 den Thronfolger zu heiraten. Durch ihre Eltern sowohl mit dem französischen als auch mit dem englischen Königshaus verwandt, sollte sie eine Friedensstifterin in den Streitigkeiten dieser beiden Länder sein. Als spätere Königin von
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