Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Titel Seidenhaar stiftet Unfug hinterließ einen bleibenden Eindruck: Darin gelingt es Regenbogen mit sanfter Einflussnahme, das störrische Pony einer benachbarten Farm vor einem grausamen Schicksal zu bewahren. Penelope hatte die Geschichte unzählige Male gelesen.
Aber nach genauerer Betrachtung fand sie es höflicher, sich zunächst einmal nach anderen Dingen zu erkundigen. Sie rückte ihre Haube zurecht und hüllte sich fest in ihren Umhang, um sich vor dem frühherbstlichen Wind zu schützen.
»Sagen Sie, mein Herr: Was für ein Haus ist Ashton Place?«
»Es ist ein sehr herrschaftliches Anwesen, wie Sie bald sehen werden. Die Ashtons leben dort seit vier Generationen.« Der Kutscher hielt inne und spornte die Pferde mit einem Zungenschnalzen an, dann fuhr er fort: »Ich denke, es ist ein Glück, dass ein Haus nicht sprechen kann. Ashton Place hätte ansonsten allerlei Geheimnisse zu erzählen.«
Penelope fand seine bildhafte Sprache kurios, wenn auch eine Spur einfältig, hütete sich aber, das auszusprechen. Stattdessen fragte sie weiter: »Und was für Menschen sind Lord und Lady Ashton? Ich weiß, es handelt sich selbstverständlich um Menschen von tadellosem Charakter.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine achtbare junge Dame wie Sie sonst zu einem Vorstellungsgespräch angereist wäre«, entgegnete er und warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu.
Penelope fragte sich, ob der Mann sich über sie lustig machte, verwarf den Gedanken dann aber als unwahrscheinlich, da sie und der Kutscher sich schließlich gerade erst kennengelernt hatten. Jedenfalls beantwortete er ihre Frage.
»Lady Constance liebt Schokolade und Blumen. Sie ist sehr jung, sehr hübsch und ein wenig verwöhnt, wenn Sie mich fragen.«
»Sie sprechen recht freimütig über Ihre Herrschaften«, merkte Penelope an.
»Ha! Ich habe das Recht, meine Meinung zu sagen. Ich habe schon für die Ashtons gearbeitet, als Lord Fredrick noch ein kleiner Junge war. Ho! Ho! Langsam!«
Ein plötzlich auffliegender Schwarm Gänse am Straßenrand hatte die Pferde erschreckt und sie waren in einen leichten Galopp verfallen. Der Kutscher zog rasch die Zügel an und brachte die Pferde dazu, wieder ruhig zu traben.
»Was Lord Fredrick angeht«, ergriff der Kutscher erneut das Wort, »der verbringt mehr Zeit in seinem Herrenclub, als man es von einem frisch verheirateten Mann erwarten würde, aber jedem das Seine, wie ich immer sage. Als Sport liebt er die Jagd – auf Füchse und Rotwild, Hasen und Dachse und alle Arten von Vögeln. Gelegentlich kehrt er auch mit eher … ungewöhnlicher Beute zurück.«
Penelope meinte, einen geheimnisvollen Unterton aus seiner Stimme herauszuhören, dieser verflog aber sogleich wieder.
»Noch weitere Fragen?«
Trotz seiner Schroffheit lächelte Penelope. Nachdem sie eine so angenehme Fahrt an der frischen Luft miteinander verbracht hatten, fand sie, dass sie und der Kutscher jetzt Freunde seien und einander vertrauen könnten.
»Erzählen Sie mir von den Kindern! Ich kann es gar nicht erwarten, sie kennenzulernen.«
»Ah!«, sagte er und sein Gesicht verdüsterte sich schlagartig. »Die Kinder sind … nun ja, ich denke, es ist an Lady Ashton, mit Ihnen über die Kinder zu sprechen. Ja, in der Tat.«
Abgesehen von einem kurzen, spontanen Ausbruch (zu dem es erst eine Dreiviertelstunde später kam) waren das die letzten Worte, die der Kutscher während der verbleibenden Fahrt sprach.
Weitere Kostenlose Bücher