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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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rufen. Er hätte keine andere Wahl, als ihrem Befehl zu gehorchen. Sie könnte ihn zwingen, ihr alles zu verraten, was er über den Phönixstein wusste. Bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen, schlug Cassandras Herz schneller und sie verspürte ein Ziehen in der Magengegend, das sie als Hunger erkannte. Nicht Hunger nach Nahrung, sondern, was viel beschämender und gefährlicher war, nach Liebe.
    Die Vorstellung schreckte sie. Grisini lieben? Sie hasste ihn. Sie hatte ihn mit einem Fluch belegt und war froh darüber. Bevor sie ihn um Hilfe bäte, würde sie eher bei lebendigem Leib verbrennen. Eher zulassen, dass der Feueropal sie vernichtete …
    Es sei denn, sie konnte ihn zerstören.
    Eine wilde Hoffnung flackerte in ihr auf. Vielleicht war sie heute Nacht in der Lage, das zu tun, was ihr bislang nie gelungen war. Ihre Finger zitterten, als sie das Medaillon öffnete, den Edelstein herausnahm und auf den Frisiertisch legte.
    Sie sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie den Stein zerschmettern könnte. Ihr Blick blieb an dem silbernen Handspiegel hängen. Er war schwer und die Rückseite schmückten erhabene Blumenornamente: kleine, dichte Rosetten und Blätter. Die Rosenknospen wirkten spitz genug, um den Stein zu durchbohren.
    Mit einer Handbewegung fegte sie alles bis auf den Feueropal vom Tisch. Ein zartes Glasfläschchen zerbrach und der Duft von Rosen erfüllte das Zimmer. Cassandra zog ein Taschentuch aus der Schublade und knäulte es zu einer Art Nest, in das sie den Opal legte, damit er nicht wegrollen konnte. Der Edelstein schien sich zu dehnen und zu pulsieren wie ein schlagendes Herz.
    Die Hexe stand auf. Sie stützte sich mit der flachen linken Hand auf die Tischplatte und nahm all ihre Kraft zusammen für den Schlag. Mit der rechten Hand packte sie den Spiegel und holte hoch aus.
    Ihre Muskeln verkrampften. Beinahe eine Minute lang stand sie wie versteinert da. Mit der Zerstörung des Opals wäre ihre Macht verloren. Sie war alt und bald würde sie sterben. Sie wusste, sie würde einsam sterben. Aber nicht im Feuer. Und sie würde sterben, ohne Grisini um Hilfe zu bitten. Diese eine Demütigung bliebe ihr erspart.
    Cassandra biss die Zähne zusammen. Ihr Arm durchschnitt die Luft, schmetterte den Spiegel in Richtung Tisch. Aber die Muskeln ihres Arms machten ihr einen Strich durch die Rechnung. Der silberne Spiegel änderte die Richtung. Er traf ihre linke Hand mit solcher Wucht, dass das Glas sprang. Vier Knochen waren zerschmettert und auf ihrem Handrücken quoll Blut aus einem Dutzend Schnittwunden. Cassandra ließ den Spiegel fallen. Der Schmerz raubte ihr den Atem. Sie krümmte sich und wiegte sich hin und her, unfähig, einen Ton hervorzubringen.
    Der Feueropal blitzte auf wie das Auge des Phönix.



1. Kapitel

     
    Clara
     
    C lara war mit einem Schlag wach. Sie setzte sich im Bett auf und verspürte ein aufgeregtes Kribbeln: Es war ihr Geburtstag. Heute gab der Puppenspieler Grisini auf ihrer Geburtstagsfeier eine Vorstellung. Und falls alles gut ging, würde sie mit Grisinis Kindern Tee trinken.
    In ihrem Zimmer war es dämmrig. Clara starrte auf die Vorhänge, die man zum Schutz gegen die Novemberkälte fest zugezogen hatte. Bei dichtem Nebel würde Professor Grisini vielleicht nicht kommen und alles wäre ruiniert. Ihr zwölfter Geburtstag würde wie alle anderen Geburtstage ablaufen, mit einer Fahrt nach Kensal Green am Vormittag und Geschenken am Nachmittag. Clara liebte Geschenke, aber ihr graute vor dem Zeremoniell des Auspackens. Es gehörte sich nicht, zu viel Begeisterung zu zeigen, war sie allerdings nicht dankbar genug, lief sie Gefahr, die Gefühle ihrer Mutter zu verletzen. Clara schob den Gedanken beiseite. Dieses Jahr würde sie alles richtig machen.
    Mit Schwung schlug sie die Bettdecke zurück und tapste auf Zehenspitzen durch das Kinderzimmer. Falls jetzt jemand hereinkäme, würde sie geschimpft, weil sie barfuß war. Am Fenster schob sie die Hand zwischen die Vorhänge. Zwei Lagen Stoff trennten sie von der Außenwelt: weinroter Samt und dahinter, vor den Glasscheiben, gekräuselter Musselin, verschmutzt vom rußigen Dunst, der in den Londoner Straßen hing. Obwohl die Fenster gut schlossen, fand er stets einen Weg nach drinnen. Clara spähte durch den Schlitz nach draußen – und ihre Miene hellte sich auf.
    Der Ausblick war eigentlich ziemlich trostlos: Die Bäume auf dem Platz hatten die Blätter abgeworfen und die Stadt starrte vor schwarzem Ruß. Aber der

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