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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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fallen. Wir alle werden uns in Kriegen umbringen, die wir nicht wollen und die wir nicht zu verantworten haben. Man wird uns eine Fahne vor Augen halten und uns die Ohren vollreden. Und letztlich wozu? Um die Saat für einen neuen Krieg zu säen, um neuen Hass zu schüren, um sich neue Fahnen und neue Parolen auszudenken. Und dafür leben wir? Um Söhne zu zeugen und sie zu verheizen? Um Städte zu erbauen und sie zu zerstören? Um Frieden zu wünschen, aber Krieg zu führen?«
    »Und die Liebe wäre für all das ein Ausweg?«, fragte Abel traurig und eine Spur ironisch.
    »Ich weiß nicht. Das ist das Einzige, was man noch nicht ausprobiert hat …«
    »Und dafür ist es noch nicht zu spät?«
    »Vielleicht nicht. Wenn alle, die leiden, einsehen, dass dies die Wahrheit ist, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät …« Er unterbrach sich, als wäre ihm ein Gedanke gekommen: »Aber denken Sie daran, Abel … Mit bewusster, aktiver Liebe! Der aktive Einsatz darf nicht zur Folge haben, dass die bewusste Liebe in Vergessenheit gerät, darf nicht dazu führen, dass Schändlichkeiten begangen werden wie von denen, die sich gegen Liebe unter den Menschen richten! Aktive Liebe, ja, aber in vollem Bewusstsein! Und das vor allen Dingen!«
    Wie eine Feder, die nach zu starker Anspannung zerbirst, fiel die Begeisterung von Silvestre ab. Er lachte.
    »Der Schuster hat gesprochen. Hätte mich ein anderer gehört, hätte er gesagt: ›Der spricht für einen Schuster viel zu gut. Ist er vielleicht ein verkappter Gelehrter?‹«
    Nun lachte Abel und fragte:
    »Sind Sie ein verkappter Gelehrter?«
    »Nein. Ich bin nur ein Mann, der denken kann.«
    Abel ging wortlos ein paar Schritte durch den Raum. Er setzte sich auf den Koffer, in dem seine Bücher lagen, und sah den Schuster an. Silvestre wirkte verlegen, während er sich mit seinem Tabaksbeutel beschäftigte.
    »Ein Mann, der denken kann …«, murmelte Abel.
    Der Schuster blickte fragend auf.
    »Wir alle können denken«, sprach Abel weiter. »Aber Tatsache ist, dass wir meistens nicht richtig nachdenken. Oder aber, dass eine tiefe Kluft besteht zwischen dem, was wir denken, und dem, was wir tun … oder getan haben …«
    »Ich weiß nicht, worauf sie hinauswollen«, bemerkte Silvestre.
    »Ganz einfach. Als Sie mir Ihr Leben erzählt haben, wurde mir deutlich, wie nutzlos ich bin, und das schmerzte mich. Jetzt fühle ich mich ein wenig entschädigt. Letztlich haben Sie, mein Freund, eine Position bezogen, die so negativ ist wie meine, oder noch negativer. Gegenwärtig sind Sie nicht nützlicher als ich …«
    »Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden, Abel.«
    »O doch. Was Sie denken, dient Ihnen nur als Argument dafür, dass Sie besser sind als andere …«
    »Ich halte mich nicht für besser als irgendjemand sonst.«
    »Doch, das tun Sie. Ich bin ganz sicher.«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort!«
    »Nun gut. Ich glaube Ihnen. Was im Übrigen gar keine Rolle spielt. Wohl aber spielt eine Rolle, dass Sie, als Sie handeln konnten, nicht so gedacht haben, da waren Sie von anderem überzeugt. Heute, da das Alter und die Umstände Sie zum Schweigen zwingen, versuchen Sie, sich mit dieser fast missionarischen Liebe etwas vorzumachen. Wehe dem, der seine Taten durch Worte ersetzen muss! Am Ende hört er nur noch seine eigene Stimme … In Ihrem Mund, mein Freund, ist das Wort ›handeln‹ nur noch eine Erinnerung, ein leeres Wort …«
    »Gleich werden Sie sagen, ich sei nicht ehrlich!«
    »Keineswegs. Aber Sie haben den Kontakt zum Leben verloren, Sie sind entwurzelt, Sie glauben, Sie befänden sich im Kampf, wo Sie in Wahrheit nur den Schatten eines Schwertes in der Hand halten und rings um Sie herum nichts als Schatten sind …«
    »Seit wann denken Sie so über mich?«
    »Seit fünf Minuten. Nach allem, was Sie durchgemacht haben, glauben Sie an die Liebe!«
    Silvestre antwortete nicht. Mit zitternden Händen drehte er sich eine Zigarette, zündete sie an, blinzelte, als der Rauch ihm in die Augen stieg, und wartete ab.
    »Sie haben mich einen Pessimisten genannt«, fuhr Abel fort, »und mir vorgeworfen, mit meinem Pessimismus würde ich all jenen helfen, die keine Liebe unter den Menschen wollen. Ich möchte Ihnen nicht absprechen, dass Sie recht haben. Aber vergessen Sie nicht, dass Ihre – ja rein passive – Haltung ihnen nicht weniger hilft, zumal diese Leute sich fast immer der Sprache der Liebe bedienen. Dieselben Worte aus deren oder Ihrem Mund verkünden

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