Clementine schreibt einen Brief
Stachelfrisur stand auf und gähnte ausgiebig, wie um zu betonen, dass es ihm gar nichts ausmachte, seinen Brief vorzulesen.
Ich verstand auch bei ihm nicht viel, obwohl er alle seine Zähne hatte. Es ging irgendwie um Leistungstests und um akademische Atmosphäre und einige Wörter waren sogar noch gewaltiger. Ich war ziemlich sicher, dass er sie erfunden hatte.
Die Jury lächelte und nickte auch bei seinem Brief.
Dann stand Herr D’Matz auf. Die Jury reichte ihm einen großen Umschlag und er zog ein Blatt heraus. »Clementine, würdest du bitte heraufkommen und deinen Brief vorlesen?«
Ich schüttelte meinen Kopf für »nein« und starrte ihn bohrend an.
Er nickte »ja« und starrte mich noch bohrender an.
Ich starrte noch bohrender zurück.
Ich benutzte natürlich nicht den Stachelrochenblick, aber es hätte auch nichts geholfen. Denn nun sah er mich mit seinem besten Trick an: den Laseraugen!
Laseraugen sind die mächtigsten Augen überhaupt. Sie hypnotisierten mich so, dass ich aufstand und zum Podium ging. Herr D’Matz reichte mir meinen Brief und ich nahm ihn. Und fing an zu lesen.
»Ich muss Ihnen einiges über meinen Lehrer erzählen. Wenn Sie mit ihm zelten fahren und wenn Sie Bohnen mitnehmen wollen …«
Und dann schaute ich verstohlen zu ihm hinüber – zu meinem Lehrer. Denn ich wollte ihn ein letztes Mal sehen, bevor er mich für den Rest des Lebens hasste.
Und auf seinem Gesicht strahlte ein glückliches Lächeln, das sagte: »Ich fahre nach Ägypten und Clementine hilft mir dabei!«
Das Blatt fiel mir aus den Händen. Der Juryboss hob es hoch und reichte es mir.
Ich schob es weg und schüttelte den Kopf. »Ist schon gut«, sagte ich. »Das brauche ich nicht. Ich weiß, was ich Ihnen über meinen Lehrer erzählen möchte.« Und dann fing ich von vorne an.
Aber nicht mit den Dingen, die ich am Montag geschrieben hatte.
»Wenn Sie mit ihm zelten gehen und wenn Sie Bohnen mitnehmen müssen, dann haben Sie Glück. Denn sogar, wenn Sie noch nie welche gekocht haben, dann spielt das keine Rolle. Mein Lehrer würde niemals sagen, wie ist es möglich, dass du keine Bohnen kochen kannst? Das habe ich dir doch erst vorige Woche erzählt! Nein. Er sagt dann etwas wie: Sag mal, du scheinst Bohnen kochen zu wollen. Ich weiß, du wirst das gut machen, weil du so viele Dinge gut machst. Vermutlich machst du als erstes die Büchse auf und dann holst du dir einen sauberen Topf .
Und dann bringt er Ihnen bei, wie man Bohnen kocht, ohne dass Sie das überhaupt merken. Und jetzt kommt der Trick. Irgendwann glauben Sie dann, Sie hätten das ganz von selbst gelernt. Und Sie werden denken, dass es nichts Interessanteres auf der Welt gibt als Bohnen kochen, weil mein Lehrer eben alles interessant macht. Sogar Sachen, die andere Leute vielleicht blöd finden.
Und jeden Morgen, wenn Sie zur Schule gehen – ich meine, wenn Sie mit ihm zelten –, werden Sie gespannt sein, was er für diesen Tag geplant hat. Und wenn Sie nach Hause müssen, sind Sie ein bisschen traurig, weil alles so lustig war. Aber Sie wissen, dass das nicht so schlimm ist, weil er jede Menge toller Projekte geplant hat und weil er auch am nächsten Tag da sein wird. Und …«
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und schaute auf. Frau Rice nickte auf mich herunter. »Danke, Clementine«, sagte sie, als ob ich schon fertig wäre.
»Aber das ist noch nicht alles«, sagte ich. »Ich möchte noch mehr erzählen.«
»Das weiß ich«, sagte sie. »Aber es reicht für den Moment.« Dann brachte sie mich zurück zu meinem Platz, was gut war, denn mein Herzanfall hatte meine Augen erreicht und ließ mich alles ein bisschen verschwommen sehen.
Die Jury stand auf und ging zu … meinem Lehrer. Alle lächelten und schüttelten ihm die Hand. Dann gingen sie zu den anderen Lehrern und lächelten und schüttelten auch denen die Hände. Danach gingen die vier Juryleute zurück zu ihrem Tisch und der Boss nahm das Mikrofon.
»Der Sieger beim diesjährigen Abenteuer für Lehrer -Programm heißt …«
Und ich wusste, dass er jetzt den Namen meines Lehrers sagen würde, weil ich so viel Gutes über ihn erzählt hatte. Und das machte mich sehr, sehr traurig und auch sehr, sehr glücklich. Was meine Ohren verwirrt haben musste, denn nun hörte ich: »Gladys Huffman!«
Die Vorschullehrerin hatte das offenbar auch gehört, denn sie stieg mit einem breiten Ich-kann-es-nicht-fassen!-Grinsen im Gesicht auf das Podium. Die
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