Clementine schreibt einen Brief
ist also vielleicht erst der Anfang. Und alle machen mir Vorwürfe.«
»Aber Bill«, sagte meine Mom. »Wenn sie sich wieder beruhigt haben, dann werden sie einsehen, dass es nun wirklich nicht deine Schuld ist. Und eigentlich auch nicht Clementines.« Sie überlegte eine Minute. »Na ja, jedenfalls nicht so richtig. Wie hätte sie das schließlich wissen sollen?«
Mein Dad gab keine Antwort.
»Wie wäre es, wenn ich morgen nach der Schule alle um Entschuldigung bitte?«, fragte ich.
»Ich glaube, das wäre ein Anfang, Kumpel«, sagte mein Dad. »Und du musst ihnen anbieten, alles, was du verkauft hast, zurückzukaufen.«
Was N-I-C-H-T, nicht fair war. Aber mein Dad sah noch immer ganz schön sauer aus, deshalb konnte ich ihm das nicht sagen.
Später an diesem Abend, als ich versuchte, nicht daran zu denken, wie sauer er ausgesehen hatte, kam mein Dad in mein Zimmer. Er setzte sich mit seinem Buchblock auf mein Bett.
Ich zeigte darauf. »Deshalb habe ich das gemacht«, sagte ich. »Ich wollte für Mom ein Geschenk kaufen, damit sie nicht traurig sein muss, weil ich dir einen Gefallen tue.«
Mein Dad sah mich an. Dann sagte er: »Aber das hast du falsch verstanden, Kumpel. Mom würde niemals traurig sein, weil du mir einen Gefallen tust.«
»Margret sagt, das ist eine Regel. Wenn du einem Menschen einen Gefallen tust, musst du auch dem anderen Menschen einen Gefallen tun.«
»Das ist vielleicht Margrets Regel. Aber es ist nicht unsere Regel. Ich bin glücklich, wenn du Mom einen Gefallen tust, und sie ist glücklich, wenn du mir einen Gefallen tust. Wenn dir Leute wichtig sind, willst du, dass sie glücklich sind. Oder geht dir das nicht so?«
Ich überlegte eine Weile, und dann nickte ich.
Mein Dad reichte mir sein Buch.
Manchmal war die Tochter des Hausmeisters zu impulsiv,
las ich.
Manchmal tat sie Dinge, ohne vorher darüber nachzudenken. Ohne an die Folgen zu denken.
Das brachte ihr eine Menge Ärger ein. Und manchmal brachte es sogar ihrem Vater Ärger ein.
Ich nahm einen Kugelschreiber und griff zum Block.
Ich wollte es schon meinem Dad zeigen, dann zog ich den Block zurück und schrieb noch ein zusätzliches
dazu. Und mir fiel noch etwas ein:
Mein Dad nahm mir den Kugelschreiber weg.
Der Hausmeister wusste, dass es seiner Tochter leidtat, und weil er sie so liebte, verzieh er ihr immer. Aber er machte sich Sorgen um sie. Er machte sich Sorgen, sie könnte traurig darüber sein, wenn sie Ärger bekam, weil sie zu impulsiv war. Er hoffte, sie würde versuchen, vorher mehr über alles nachzudenken. Daran zu denken, was passieren könnte, wenn sie etwas tat, bevor sie es tat.
Ich sah mir diesen Absatz für eine Weile an. Dann schrieb ich:
Mein Dad nahm wieder den Kugelschreiber.
Und deshalb war er sehr stolz auf sie.
Ich rutschte an meinen Dad heran und umarmte ihn. »Ich finde, das ist ein richtig gutes Buch«, flüsterte ich. »Ich auch«, flüsterte er zurück. »Ich glaube, das wird ein Bestseller.«
9. KAPITEL
Am Donnerstag auf dem Weg zur Schule fragte Margret, wie ich denn mit der Vertretungslehrerin klarkäme.
»Nicht so gut«, sagte ich. Aber bevor sie mir noch weitere blöde Vorschläge machen konnte, wie zum Beispiel Lilly alles nachzumachen, erzählte ich ihr, dass mein Dad schrecklich sauer auf mich gewesen war. Statt mir zu sagen, dass ich eben immer alles falsch machte, überraschte Margret mich. Sie fing an zu weinen.
»Was ist denn los?« Und dann überraschte sie mich noch mehr, denn sie wischte sich an meiner Jacke die Tränen ab, obwohl die vermutlich von Bazillen nur so wimmelte.
»Mein Vater kann diesen Monat nicht kommen. Die Schauspielerin in seiner Schnupfenspray-Werbung hat sich den Fuß gebrochen, und jetzt kann sie nicht durch ihren Garten rennen und sagen, wie großartig es ist, wieder frei atmen zu können. Jetzt muss er eine neue Schauspielerin finden und von vorn anfangen.«
»Das tut mir wirklich leid«, sagte ich. Und das tat es auch. Margret und Mitchell freuten sich immer den ganzen Monat auf den Besuch ihres Vaters. Und dann konnten sie über nichts anderes mehr reden.
»Du hast solches Glück«, schniefte sie. »Und du merkst es nicht einmal.«
»Worüber redest du? Wieso habe ich Glück?«
»Weil du deinen Vater jeden Tag siehst.«
»Aber du hast auch Glück«, sagte ich. »Wenn dein Vater kommt, dann bleibt er eine ganze Woche. Ihr macht alles mit
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