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Clementines verrückte Woche

Clementines verrückte Woche

Titel: Clementines verrückte Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Pennypacker
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fotografieren!«
    Noch mehr Tränen. Mein Dad legte mir den Arm um die Schulter. »Das ist in der Tat eine Herausforderung. Aber weißt du was? Ich finde, dass Kamillosan wirklich Glück hat. Denn er gehört einer bemerkenswerten Künstlerin!«
    »Du meinst, ich sollte ihn zeichnen?«, fragte ich. »Meinst du, ich kann das gut genug?«
    »Das meine ich, Kumpel. Ich glaube, dass das die Zeichnung deines Lebens wird.«
    »Ich auch«, sagte meine Mom. »Aber zuerst hole ich die Papiertaschentücher. Du darfst doch so eine wichtige Zeichnung nicht mit Tränen volltropfen.«
    Also wischte ich meine Tränen ab und dann durfte ich mich an den Zeichentisch meiner Mom setzen, um das Plakat zu entwerfen. Sie gab mir ihre guten Stifte und einen Stapel von ihrem teuren Papier. »Nimm, so viel du brauchst, mein Schatz«, sagte sie. »Mach es richtig gut.«
     

     
    Und ich kann euch sagen, das war sehr, sehr schwer. Nicht das Zeichnen, sondern das Nicht-aufs-Papier-Weinen.
    Als ich versuchte, seine Ohren zu zeichnen, fiel mir ein, wie sie immer zuckten, wenn jemand eine Konservendose aufmacht, und meine Augen füllten sich. Als ich sein flauschiges Fell zeichnete, fiel mir ein, wie weich es sich beim Streicheln anfühlte, und die Tränen liefen mir über das Gesicht. Und als ich seinen Schnurrbart zeichnete, fiel mir ein, wie er manchmal kleine Wollmäuse darin hängen hatte, und ich wäre fast vom Stuhl gefallen, weil ich so schrecklich weinen musste.
    Aber okay, genug davon.
    Am Ende sagte ich beim Zeichnen immer wieder: »Dieser kleine Kater wird bald nach Hause kommen. Also bin ich sehr glücklich!« Ich hielt mir mit der linken Hand ein Papiertaschentuch an die Augen, während ich mit der rechten zeichnete, sicherheitshalber.
    Es war schwer zu entscheiden, welchen Ausdruck ich Kamillosans Gesicht geben sollte. Ich finde es wunderbar, wenn er neugierig ist, aber auch, wenn er lacht oder wenn er gähnt. Am Ende beschloss ich, ihn ein wenig verängstigt aussehen zu lassen, denn er würde sich bestimmt fürchten, wenn ein Fremder ihn fände.
    Endlich war die Zeichnung fertig. Und hier seht ihr, wie gut sie gelungen ist.
     

     
    Ich schrieb unsere Telefonnummer darunter und dann gingen mein Dad und ich zum Kopierladen an der Ecke.
    »Wie viele sollen es denn sein?«, fragte der Mann am Tresen.
    »Wie viele kann ich hierfür kriegen?«, fragte ich zurück und legte alles Geld, das ich hatte, vor ihn hin.
    Mein Dad schob es zusammen und gab es mir zurück. »Das geht auf meine Rechnung«, sagte er. »Also, wie viele Plakate brauchen wir? Fünfzehn, zwanzig …?«
    »Hundert«, sagte ich.
    »Also, ich glaube nicht, dass hundert …«, fing Dad an.
    »Da hast du Recht«, fiel ich ihm ins Wort. »Zweihundert. Nein – dreihundert – mindestens.«
    Mein Dad starrte mich einen Moment lang an. Dann drehte er sich zu dem Mann am Tresen um. »Dreihundert Kopien, bitte. Das ist ein ganz besonderer Kater.«
     
    Ich kann euch sagen, Plakate aufhängen ist eine Menge Arbeit, vor allem wenn man einen drei Jahre alten Bruder hat, der unbedingt helfen will. Zum Glück beschloss Pastinake um die Mittagszeit, dass es mehr Spaß machte, das Klebeband an sich selbst zu pappen und nicht an die Telefonmasten, und deshalb schafften wir am Nachmittag viel mehr.
    »Was glaubst du, wie viele wir aufgehängt haben?«, fragte ich meine Mom, als die Dämmerung einsetzte.
    Sie sah sich den Stapel an. »Fünfzig vielleicht?«
    »Na, dann müssen wir ja nur noch zweihundertfünfzig«, sagte ich. »Also weiter.«
    Mom schüttelte den Kopf. »Dein Dad arbeitet. Er hört das Telefon in der Wohnung nicht. Wir sollten nach Hause gehen, für den Fall, dass jemand anruft.«
    Also gingen wir zurück. Mein Bruder pulte sich das Klebeband ab und meine Mom kochte das Abendessen, während ich neben dem Telefon saß und auf einen Anruf wartete.
    Aber niemand rief an. Na ja, außer einem Fremden, der wissen wollte, ob die Hypothek auf meinem Haus ausreichend gesichert sei. Ich erzählte ihm, dass Kamillosan verschwunden war, und er sagte, »Ach du meine Güte, ich hoffe, du findest ihn bald wieder.«
    Danach klingelte das Telefon überhaupt nicht mehr. Und in der ganzen Wohnung war es stiller als je zuvor – es fehlten das Geräusch des Telefons und die Geräusche von Kamillosan.



Als es Zeit zum Schlafengehen war, zog ich die Luftmatratze wieder zur Tür. Mein Dad ging zu meinem Bruder, um ihm seine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen, und meine Mom kam mit einem Kissen

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