Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
nicht Leid getan, als Bis-han starb. Wir haben alle erleichtert aufgeseufzt.«
»Aber bei Prithvi war es anders«, sagte Joe. »Er hätte einen akzeptablen Herrscher abgegeben, hätte er nicht - in Udais Augen - einen entscheidenden Fehler gehabt, und das war seine verstockte Weigerung, sich eine zweite Frau zu nehmen. Aber dann riss Sir George heute Morgen ein gewaltiges Loch in meine hübsche Theorie, als er uns nämlich mitteilte, dass die britische Regierung von der bevorstehenden Heirat von Prithvi und einer Prinzessin aus Mewar unterrichtet worden sei. Alles äußerst vertraulich eingefädelt, doch bevor es öffentlich gemacht werden konnte, starb Prithvi.«
Lizzies Augen wurden immer größer. »Wie außergewöhnlich! Keiner hier wusste davon.«
»Ich glaube, mindestens eine Person muss es gewusst haben. Die Hauptdarstellerin, wenn man so will. Madeleine. Und wenn sie es wusste, dann hat sie Stuart davon erzählt. Sie hätten es beide als Verrat empfunden. Ich denke, für Madeleine veränderte sich alles, als der älteste Sohn starb. Ihr Ehemann war als Nächster an der Reihe, Yuvaraj zu werden. Er kam seinem Vater immer näher, und die beiden hatten eine identische Sicht der ökonomischen Zukunft Rani-purs. Sie, Lizzie, haben sich selbst schon gefragt, warum der Herrscher so lange zögerte, einen Nachfolger zu ernennen. Könnte es daran gelegen haben, dass er eigentlich den Namen Prithvi in das Testament eintragen wollte, aber nur unter der Voraussetzung, dass er eine Prinzessin aus Mewar ehelichte?«
»Ja, ich denke schon. Und wenn Ihr Bericht über den Handel am Aktienmarkt stimmt, dann wäre es sinnvoller gewesen, Prithvi zu ernennen. Bahadur war talentiert .« Ihre Stimme brach, doch dann gewann sie ihr Gleichgewicht zurück. »Aber er hätte diese Aktiengeschäfte nicht verstanden. Wie seine Mutter legte er großen Wert auf einen Wohlstand, den man mit Händen fassen kann. Er hatte einen sehr traditionellen Ansatz an das Leben. All die Jahre in der Zenana ... Es hätte für den Staat eine Phase großen Aufruhrs gegeben, und das zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Zalim Singh hätte große Mühe gehabt, das Staatsschiff auf einem ruhigen Kurs zu halten. Die arme Madeleine! Sie hat gegen die Familie angekämpft, gegen den Hof, gegen die ganze raj-putische Lebensweise.«
»Und sie kämpfte für die Lebensweise, die sie sich auserkoren hatte. Sie hatte sich auf mondäne Reisen nach Europa am Arm ihres reichen und gut aussehenden jungen Prinzen eingestellt, musste jedoch feststellen, dass sie in Wahrheit nicht mehr erwartete als ein Leben in einer Stadt, die sie hasste, als unerwünschte Ausländerin, die auch noch ein Hemmschuh für seine Thronfolge war. Und als sie erfuhr, dass eine blaublütige, indische Prinzessin seine zweite Frau werden sollte, sah sie für sich nur noch eine düstere Zukunft unter Menschen, die sie ablehnten, und mit einem Ehemann, an dessen Zuneigung sie allmählich gezweifelt haben musste.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Madeleine die Kabel im Flugzeug durchgesägt hat?«, rief Edgar erstaunt. »Tja, ich muss schon sagen . Nichts, was diese Frau tat, hätte mich noch überrascht, aber . , aber . , nun, wir haben doch beide ihre Reaktion gesehen, als sie den Helm vom Kopf des sterbenden Piloten zog und sah, dass es ihr Ehemann war. Könnte irgendjemand einen solchen Schock vortäuschen?«
»Wenn es jemand kann, dann Madeleine. Sie ist im Vortäuschen ziemlich gut.« Joe räusperte sich und zwang sich dazu, mit seiner Berichterstattung fortzufahren. Er fand dieses Theoretisieren nicht leicht. »Aber ich stimme Ihnen in einem Punkt zu, Edgar, sie wusste nicht, dass Prithvi sterben würde.«
In der nachfolgenden Stille rutschte Lizzie ungelenk auf ihrem Hocker umher und sagte dann: »Stuart hat es getan. Ihr Bruder ist es gewesen. Er hätte alles für Madeleine getan. Wenn er wusste, dass ihre
Rolle in Prithvis Leben zurechtgestutzt werden sollte und damit auch seine eigene Rolle, dann hätte er es für seine Pflicht gehalten, für sie zu denken und zu handeln. Klarer Schnitt und aus. Schließlich - wer wäre besser dafür geeignet? Er hätte die Kabel zu jeder beliebigen Zeit durchtrennen können. Vielleicht überraschte ihn der Monteur Ali dabei und musste ebenfalls beseitigt werden? Und wer außer Stuart könnte Prithvi davon überzeugt haben, an seiner Stelle zu fliegen? Wir haben nur Stuarts Aussage, dass er ursprünglich als Pilot vorgesehen war -Prithvi hatte eventuell
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