Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
mir mit, dass sie ein Kind unter dem Herzen trägt. Einen Sohn. Meinen Sohn, der unter ihrer Fürsorge als Prinz von Ranipur aufwachsen wird. Ich habe sie gebeten, ihn Bahadur zu nennen. Sehen Sie, die Prophezeiung wird sich erfüllen!«
Joe sammelte sich als Erster. Während Edgar seine Glückwünsche murmelte und eine weitere Träne vergoss, überflog Joe eilig das Pergament, das ihm gereicht worden war. Nicht mehr viel Zeit. Es gab keine Möglichkeit, eine höfliche Umschreibung für das zu finden, was er zu sagen hatte.
»Euer Hoheit«, fing er an, »wir sind entzückt, diese Dokumente unterzeichnen zu dürfen, aber erlauben Sie mir, einen Zusatz vorzuschlagen? Der Schreiber weilt in unserer Mitte, es ließe sich also mühelos erledigen.«
Der Maharadscha wirkte verwirrt, aber mit einem Winken der Hand bat er Joe fortzufahren.
»Was den Paragraphen hinsichtlich der Regenten für Prinz Bahadur bis zur Erlangung seiner Volljährigkeit betrifft, da nennen Sie selbstverständlich seine Mutter Shubhada, aber auch Mr. Claude Vyvyan. Wir haben es hier mit einem Zeitraum von höchstwahrscheinlich mehr als siebzehn Jahren zu tun. Wer weiß angesichts der derzeitigen Beförderungspolitik des Empire schon, wo Vyvyan in so vielen Jahren sein wird? Wäre es nicht umsichtiger, Sir, den Namen Vyvyan zu streichen und einfach >der agierende Vertreter der britischen Regierung in Ranipur< einzusetzen, damit die Regentschaft mit dem Amt verbunden wird, nicht mit der Person?«
Udai sah Zalim Rat suchend an, sein Geist umnebelte sich langsam. Joe hielt den Atem an. Zalim erwiderte rasch: »Hervorragende Idee, Sandilands! Ein diplomatischer Schachzug, der eines Sir George würdig wäre. Wie überaus aufmerksam.« Udai nickte dem Schreiber zustimmend zu, der die notwendigen Änderungen durchführte. Diese versah Udai mit letzter Kraft mit seinen Initialen. Joe und Edgar unterzeichneten die Dokumente, die daraufhin mit den zeremoniellen roten Seidenbändern verschnürt wurden. Mit einem Seufzer nickte Udai seinen Dienern zu, die zu ihm traten, ihn sanft vom Diwan hoben und ihn auf das Stroh betteten.
Auf ein Zeichen des Arztes hin verließen Joe und Edgar auf Zehenspitzen den Raum.
»Wohin jetzt?«, fragte Joe, als sie den Flur zurückgingen.
»Keine Ahnung, alter Knabe. Ich bin Ihnen einfach gefolgt«, erwiderte Edgar, und Joe wurde klar, wenn er je ein wahrhaftiges Gefühl in Edgars hässlichem Gesicht sehen wollte, dann war dies der Moment dafür.
»Der arme, alte Udai!«, sagte Joe. »Aber wenigstens war seine letzte Lebensstunde einigermaßen glücklich. Tut mir Leid - was für ein abgedroschener Spruch! Aber im Sterben hatte er den Blick nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft gerichtet und war voller Hoffnung. Das ist doch sicher ein außergewöhnlicher, segensreicher Zustand?« Ein Seitenblick auf Edgar zeigte ihm, dass sein Versuch des
Trostspendens sein Ziel weit verfehlt hatte. Er wählte einen anderen Ansatz. »Kommen Sie schon, Troop! Wir haben noch viel zu tun. Es gibt Menschen an diesem Ort, die ihre wohlverdiente Strafe noch nicht erhielten. Haben Sie übrigens das Klicken gehört, als das letzte Stück des Puzzles an seinen Bestimmungsort fiel?«
»Ein Klicken? Es war ohrenbetäubend! Shubhada ist schwanger? Und woher will sie wissen, dass es ein Junge wird?«
»Das weiß sie natürlich nicht. Aber die Astrologen wissen es, und ihre Vorhersagen haben in Ranipur einiges Gewicht, besonders beim Herrscher, der verzweifelt auf diese Nachricht hoffte. Bemerkenswert! Dass Udai nun doch von seinem dritten legitimen Sohn beerbt wird.«
»Tja, wenigstens erklärt das, warum Shubhada plötzlich in vollem rajputischen Prachtornat herumläuft«, meinte Edgar nachdenklich. »Sie zeigt dem Herrscher und dem gesamten Hof, dass sie die neue Rajmata ist. Sie wird zur Mutter des nächsten Maharadschas und außerdem in den nächsten achtzehn Jahren zur Regentin. Und sie stürzt sich mit Schwung in ihre Rolle! Schließlich hat sie jetzt ein unleugbares Interesse am Königreich. Wissen Sie, Joe . « Edgars buschige Brauen runzelten sich ein wenig mehr, während er darum kämpfte, seine Gedanken und Spekulationen zu ordnen. »Ich frage mich allmählich, ob diese neue, mütterliche Prinzessin möglicherweise ein schwindendes Interesse am
Vertreter der britischen Regierung hat? Vielleicht ist er für sie schon Geschichte?«
»Ihre Schwangerschaft erklärt zumindest, warum Bahadur sterben musste. In dem Augenblick, in
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