Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
dem sie den Herrscher von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzte, würde sich Bahadurs Anspruch auf den Thron in Rauch auflösen, und natürlich wäre er dann sofort zu seinem Vater gerannt und hätte ihm alles erzählt, was er weiß. Dann hätte es keine Spielchen mit Drohungen und Scherzen gegeben! Und wie hätte Udai reagiert? Hätte er das von Shubhada wirklich geglaubt? Hätte er vermutet, dass es einen außerehelichen Grund für ihre plötzliche Schwangerschaft gab? Da hätte es >abwarten und Tee trinken< geheißen . Das kann nur die Zeit zeigen - neun Monate, um genau zu sein -, bevor sich feststellen lässt, wem das Kind ähnlich sieht. Ich würde meinen letzten Penny verwetten, dass es Udais Kind ist, aber sobald die Saat des Misstrauens einmal gesät ist . Und Udai hätte unter Druck gestanden - er hatte nur wenige Tage, keine Monate, um eine Entscheidung zu fällen. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er vom Schlimmsten ausgehen würde, dass er Shub-hada verstoßen und Claude fortschicken würde. Was für Claude das Karriereende bedeutet hätte. Udai hätte sie aber auch den Krokodilen zum Fraß vorwerfen können ... Ich weiß es nicht.«
»Das hätte sich arrangieren lassen«, bestätigte Edgar. »Grässlicher Unfall beim Angeln, der tapfere Vertreter der britischen Regierung hört Schreie und springt in den See, um Hilfe zu leisen. Schnipp! Schnapp! Ab nach Delhi.«
»Die Angst vor dieser Vergeltung unterschrieb Bahadurs Todesurteil.«
»Ja . der Junge war verdammt gefährlich und für die beiden nicht länger von Nutzen. Sie brauchten keinen widerspenstigen, kleinen Yuvaraj mit einem dubiosen Anspruch auf den Thron, wo doch Shubha-da einen legitimen Erben austrug. Ich denke, Sie haben Recht, Joe.«
»Das ist ein böses Zeichen, Edgar! Sie haben aufgehört, mir zu widersprechen. Wir könnten uns in eine höchst peinliche Lage bringen, wenn wir vorschnelle Schlussfolgerungen ziehen. Wohin Sie jetzt gehen, weiß ich nicht, aber ich mache mich auf den Weg zu Lizzie Macarthur. Nein, stöhnen Sie nicht! Wir brauchen ... ich brauche eine ordentliche Portion schottischer Skepsis und gesunden Menschenverstands. Ich muss ihr auch mein Beileid für ihren Verlust bekunden. Sie hat Bahadur geliebt, wissen Sie. Sehr sogar.«
Lizzie wirkte überrascht und keineswegs erfreut, sie zu sehen. Mit einer Stimme, die nur gerade noch so als höflich zu bezeichnen war, bat sie die beiden einzutreten und sich zu setzen. Ihr Haar war zerzaust, ihr Gesicht bleich, und ihre Augen schwammen immer noch in Tränen.
Joe und Edgar ließen sich ungelenk nebeneinander auf dem durchgesessenen Sofa nieder. Lizzie bot ih-nen nicht das übliche Getränk an, wofür Joe ausnahmsweise einmal dankbar gewesen wäre, sondern starrte sie unheilvoll an, als sie sich auf den Laborhocker gegenübersetzte. Joe hatte sich zuletzt vor zwanzig Jahren im Arbeitszimmer seines Internatsleiters ähnlich eingeschüchtert gefühlt.
»Geben Sie uns nicht die Schuld, Lizzie!« Joe redete nicht lange um den heißen Brei herum. »Hören Sie sich erst an, was wir zu sagen haben. Sie müssen uns für die beiden inkompetentesten Leibwächter halten, weil wir Bahadur sterben ließen. Aber so ist es nicht gewesen. Das Kind wurde ermordet. Und seine Ermordung wurde auf kaltblütige Weise arrangiert.«
Sie hörte in eisigem Schweigen zu, ohne jedoch die Erzählung zu unterbrechen, die Joe und Edgar abwechselnd zum Besten gaben, wobei sie sich gegenseitig korrigierten und Einzelheiten ergänzten.
Schließlich sah sie Joe direkt in die Augen. »Wollen Sie damit sagen, dass Bahadur von Claude und Shubhada ermordet wurde, die gemeinsame Sache machten?«
Er nickte.
»Was für ein kluger Kopf Sie sind, Sandilands! Sie erschießen ritterlich zwei menschenfressende Tiger, aber zwei Menschen, die über Leichen gehen, übersteigen Ihre Fähigkeiten? Sie schicken den Jungen wie einen Köder hinaus, und die beiden zerfleischen ihn quasi vor Ihren Augen zu Tode!«
»Das ist unfair, Lizzie!«, warf Edgar ein. »Beruhigen Sie sich doch, um Gottes willen!«
Sie bemühte sich sichtlich, ihre Wut zu zügeln, und meinte in ihrem üblichen kühlen Tonfall: »Und Lois? Was sollen wir von ihr halten? Ist sie auch ein Opfer zweier selbstsüchtiger Menschen in ihrer gedankenlosen Gier nach Macht? Die arme Lois! Was werden Sie jetzt mit diesen Informationen anfangen?«
»Ich werde natürlich Sir George von unseren Verdachtsmomenten unterrichten, und er wird sich zweifellos
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