Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
dafür andere.«
Weiter wollte Joe nicht auf die heikle Angelegenheit bezüglich der Beteiligung der verwitweten Dritten Hoheit eingehen. Er empfand kein Mitleid für die manipulative Prinzessin, die seiner Meinung nach von den Vyvyans benutzt worden war. Er musste an seinen ersten Abend im Palast denken und an das Verhalten von Lois. Shubhada hatte am Kopfende der Tafel geglänzt, während Lois mit ruhiger Hand den Ablauf gelenkt hatte. Es war zwar Claude, der den Ruf der Gründlichkeit genoss, aber Joe fragte sich, wie groß der Anteil seiner entschlossenen und ehrgeizigen Frau an diesem Ruf gewesen war. Und der Duft, der ihn so fasziniert hatte? Lois selbst, so vermutete er jetzt, musste den kühlen Kopf und die Weitsicht besessen haben, dasselbe Parfüm wie die junge Frau aufzulegen, die mit ihrem Ehemann flirtete. Sie muss sich seiner sehr sicher gewesen sein, dachte Joe. Und nun, allzu spät, verstand er auch ihr Verhalten ihm gegenüber. Ein Abgesandter von Sir George und dazu noch ein Polizist aus London! Misstrauen und Angst hatten unter der Oberfläche gebrodelt, wann immer sie Kontakt mit ihm hatte. Kein Wunder, dass sie bisweilen etwas scharf geklungen hatte.
Auf dem Rückweg kam ihnen Edgar zu Pferde entgegen, in Begleitung von Ram.
»Was zur Hölle?«, wollte Edgar wissen.
Joe begrüßte ihn kühl.
»Lois. Es war Lois. Nun, Edgar, wenn der Krait Claude nicht erwischt hätte, dann wäre er mit seiner Frau über der Wüste abgestürzt. Ein überaus zufrieden stellendes Ergebnis für die Regierung Seiner Majestät. Das würden Sie doch sicher sagen, nicht?« Edgar wendete sein Pferd, und während sie, Knie an Knie, zurückritten, erkundigte sich Joe wütend: »Vielleicht könnten Sie mir jetzt genau erklären, wie die Anweisungen von Sir George an Sie lauteten? Folgen Sie Sandilands, warten Sie, bis er das Wild gestellt hat, und erlegen Sie es anschließend?«
Edgar blieb gelassen. »So in etwa. Es geht nicht an, dass ein heller, junger Kopf wie Claude - das Beste, was der Indian Civil Service zu bieten hat - zu einem Schauprozess nach Delhi gekarrt wird. Wenn sich ein Vertreter der britischen Regierung derart daneben benehmen kann, wie können wir den anderen dann jemals wieder vertrauen? Das könnte die Karriere von vielen guten Jungs ruinieren. Im Rat der Fürsten könnte es Unruhe geben . der sich, soweit ich weiß, in naher Zukunft für eine wichtige Konferenz zusammenfindet. Eine sehr wichtige Konferenz. Der Zeitpunkt wäre höchst unselig gewesen. Ein politischer Albtraum. So ist es besser. Eben ein zufrieden stellendes Ergebnis.«
»Glauben Sie wirklich?« Joe konnte den Ärger nicht aus seiner Stimme verbannen. »Den Tod von Udai Singh begleiten so viele andere Todesfälle.«
»Immer noch besser als die Dutzende von Toten, die es noch vor ein paar Jahrzehnten gekostet hätte«, meinte Edgar gereizt. »Und alle Todesfälle können höchst plausibel erklärt werden. Unfälle kommen in Indien nun einmal vor. Ein verdammt gefährliches Land, wie ich immer sage. Und zwei der Mörder kamen aus dem Westen, vergessen Sie das nicht. Wenn man bedenkt, dass zwei Thronerben die Opfer waren, steht da eine ziemlich große Rechnung offen. Glücklicherweise besitzen wir ein Druckmittel . Wir haben auch ein paar gute Karten in der Hand. Und wir haben Glück, dass Zalim Singh da ist und die Scherben auflesen kann.« Edgar schwieg, erhielt jedoch keine Reaktion oder Ermutigung von Joe, also fuhr er fort: »Aber wenn wir schon von Glück sprechen, dann würde ich zu gern wissen, wie hoch die Chancen waren, dass Claude seine diebische Hand ausgerechnet in eine Schatztruhe steckt, in der ein Krait lag .«
Seine Stimme troff vor Misstrauen. Er sah Joe an, wartete auf einen Kommentar.
Joe dachte an Lizzies Bekenntnis, dass sie viel auf sich nehmen würde, um ihr Mündel Bahadur zu beschützen. Er erinnerte sich an das Vertrauen, mit dem der Junge mit Jaswant, dem Mann aus den Bergen, losgezogen war. Würde Lizzies und Jaswants Liebe zum Yuvaraj sich auch auf Rache erstrecken, wenn er sich längst an einem Ort befand, an dem sie ihn nicht mehr schützen konnten? Joe beantworte diese Frage eindeutig positiv.
»Ja, was für ein Glück«, erwiderte er. »Was für ein Zufall, meine ich.«
Kapitel 29
Lal Bai war bereits wach, als ihre Zofe kam, um sie zu wecken. Sie ging zum Fenster, schob den Vorhang aus Khas-Khas-Matten beiseite und sah hinaus auf die milchig-graue Landschaft, die nur vom versinkenden Mond
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