Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Gerechtigkeit.«
Joe wusste, wie leicht Edgar die Pferde durchgingen, wenn die Unterhaltung auf die moderne Frau zu sprechen kam. Für ihn bildete das Indien der East India Company das Ideal: eine verherrlichende, maskuline Welt voller Händler, Kämpfer, Opportunisten - Männer, die westliche Einflüsse verwarfen und sich indische Frauen als Gattinnen und Geliebte nahmen, die Sprache der Einheimischen sprachen und deren Land ausbeuteten. Die Welt der Company-Männer war laut Edgar zu einem bedauernswerten Ende gekommen, als die Seereisen sich verbesserten und Horden von Engländerinnen die Reise in den Osten antraten, um sich Ehemänner in Indien zu angeln. Joe beeilte sich, Edgar von der zu erwartenden Schmährede abzulenken.
»Ich gehe davon aus, dass der Vertreter der britischen Regierung in Ranipur ein leichteres Leben hat? Was ist Vyvyan für ein Mann? Sie sprechen mit gemäßigter Begeisterung von ihm.«
»Ach, Claude ist eigentlich sehr gut. Sogar brillant. Versteht sich ausgezeichnet mit dem Fürsten, weiß, wann er lieber in die andere Richtung schauen sollte, arbeitet unermüdlich für die guten Beziehungen zwischen Ranipur und dem Empire. Man könnte von einer vorbildlichen Situation sprechen. Und anders, als zu erwarten gewesen wäre, ist Claude ein Freund und Vertrauter des Fürsten geworden. Es ist ein heikler Balanceakt, Herrscher zu sein. Auch sehr einsam. Die meisten von Udais Verwandten warten nur darauf, in seine Fußstapfen zu treten, und die meisten seiner Untertanen versuchen ihr Bestes, Geld aus ihm herauszupressen. Claude hilft ihm, das Gleichgewicht zu halten und seine Autorität zu wahren.«
»Und welche Rolle spielt Edgar Troop bei all dem? Welches Ihrer zahlreichen Talente stellen Sie dem Herrscher zur Verfügung?«
Edgar wirkte erfreut. »Auf gewisse Weise bin ich vermutlich eine Art Sicherungsventil. Udai genießt Alkohol, die Jagd, Polo, teure Reisen nach Europa, weibliche Gesellschaft und hin und wieder eine Eheschließung. Eigentlich das perfekte Leben für einen wohlerzogenen indischen Herrscher. Er genießt meine Sympathie! Ich möchte nicht, dass Sie alles erfahren, was ich im Laufe der Zeit für ihn erledigt habe. Ich möchte auch nicht von den Dingen sprechen, die er für mich getan hat. Aber all das hat zu diesem Telegramm geführt. Es bedeutet wahrscheinlich, dass er sich langweilt und ich wieder ein wenig Würze in sein Leben bringen soll.«
»Was für einen Palast hat er denn in Ranipur?«
»Stellen Sie sich den Buckingham Palace vor und multiplizieren Sie es mit zehn. Ungefähr eintausend Zimmer. Uralt. Wunderschön. Teile davon ziemlich verfallen, andere wiederum einwandfrei. Manche Flügel von Störchen und Fledermäusen bewohnt, wahrscheinlich auch von Schlangen. Der Alte Palast ist für formelle Anlässe reserviert. Dort wohnen viele seiner Verwandten und alle Frauen des Haushalts. Udai hatte so viel Verstand, sich anderswo niederzulassen - im Neuen Palast. Mit allen modernen Annehmlichkeiten ausgestattet! Und er hat sich mehrere Gästehäuser gebaut. Für gewöhnlich steht eines davon mir zur Verfügung.«
Diener machten sich an dem chaotischen Frühstückstisch zu schaffen.
»Ich denke, wir sollten uns dem Wink mit dem Zaunpfahl besser nicht widersetzen.« Edgar gab einige Befehle, führte Joe auf eine unordentliche Terrasse und winkte mit der Hand vage in Richtung des wuchernden Strauchwerks im Hof. »Wir müssen etwas dagegen unternehmen«, sagte er geistesabwesend. »Das Problem ist, hier wächst entweder alles viermal so üppig wie erwartet, oder es stirbt ab. Wie Sie sehen, finden sich bei uns beide Alternativen. Setzen Sie sich. Lust auf ein Bier?«
Es war im Junggesellenhaushalt üblich, vom Frühstückskaffee ohne Umwege auf ein schäumendes Glas gekühltes Ale überzugehen, und ein Diener stand bereits mit einem vollen Tablett parat. Edgar kippte ein halbes Glas auf einen Schluck, wischte sich den Schnauzer und sah Joe abwägend an. Er beugte sich vor. »Hören Sie, Joe, ich sehe doch, dass Sie langsam genug von Simla haben. Verdammt harte Arbeit, so ein erzwungener Urlaub. Warum lassen Sie sich von Sir George nicht einen Passierschein ausstellen und begleiten mich nach Ranipur?«
Kapitel 3
Als die Rikscha Joe vor der Gouverneursresidenz absetzte, begrüßte ihn ein Diener mit einem Lächeln.
»Sir George ist in der Waffenkammer, Sahib. Er würde sich freuen, wenn Sie sich ihm vor dem Mittagessen kurz anschließen könnten.«
»Ja natürlich, ich
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