Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
seine Schulter und zielte probeweise.
»Das ist kein Gewehr - das ist ein Kunstwerk!«, murmelte er.
»Sie werden feststellen, dass es beides ist«, entgegnete Sir George zufrieden. »Lassen Sie sich von seiner Schönheit nicht täuschen. Es hat eine unglaubliche Durchschlagskraft! Es ist eine doppelläufige Royal mit einem 23-Inch-Lauf. Ganz einfach das beste Gewehr der Welt. Theodore Roosevelt nahm es mit nach Afrika und war sehr beeindruckt. Wunderbar für schweres, sich rasch bewegendes Wild. Zielgenau, mit hoher Geschwindigkeit, und es kann fast zeitgleich zwei Schüsse abfeuern. Großartige Treffsicherheit, und es lässt sich rasch nachladen, falls Sie mit den ersten beiden Schüssen einen heranstürmenden Büffel verfehlt haben sollten.«
Joe lachte. »Verkauft! Schicken Sie mir ein Dutzend in meine Suite im Dorchester.«
Sir George setzte seine Brille auf und betrachtete Joe eingehend. »Sie waren doch Füsilier, nicht? Dachte mir schon, dass ich das richtig in Erinnerung hatte. Legen Sie das Gewehr noch einmal an Ihre Schulter, Joe«, bat er. »Perfekt! Wie für Sie gemacht! Sie wissen, dass jedes dieser Gewehre passgenau gefertigt wird? Man geht zum Waffenschmied und lässt mehr Teile seiner Anatomie ausmessen, als für einen Anzug in der Savile Row nötig wären. Größe, Brustumfang, Armlänge . und das Ergebnis ist eine individuell maßgefertigte Kostbarkeit. Außergewöhnlich! Und das Gewehr passt genau zu Ihnen!«
»Ich habe mich noch nie so wohl mit einer Waffe gefühlt«, erklärte Joe. »Für wen wurde sie gemacht, George? Doch nicht für Sie, oder?« Er betrachtete skeptisch die schlaksige Gestalt von Sir George, die jetzt ein wenig korpulenter wurde, aber immer noch gute fünf Zentimeter größer war als Joe und längere Arme besaß.
»Für meinen jüngeren Bruder Bill. Es war ein Geschenk meines Vaters zu Bills einundzwanzigstem Geburtstag. 1907.« Seine Stimme klang plötzlich rau, und er fügte hinzu: »In Ypres gefallen. Es hätte ihm gefallen, Sie hier mit der Waffe stehen zu sehen.
Sie sind ihm sehr ähnlich. Hören Sie, Joe, nehmen Sie das Gewehr. Ich meine, behalten Sie es. Als Geschenk von Bill. Sie werden es in Ranipur gut gebrauchen können, und es wird Ihnen unter den eingefleischten Jägern ein gewisses Ansehen verleihen. Der Maharadscha mag etwas Ähnliches besitzen - ich glaube, er hat sein Gewehr von Purdeys -, aber sonst niemand.«
Joe fand kaum die richtigen Worte, um seinen Dank zu stammeln. Er wusste, es war sinnlos, sich höflich zu verweigern. George Jardine sagte immer, was er meinte, und setzte auch immer seinen Kopf durch.
»Ich werde also gut ausgerüstet nach Ranipur reisen, um etwas zu schießen, aber was oder wer schwebt Ihnen denn vor, George?«
»Mit dem Gewehr: einen Tiger. Es gab Berichte über einen verwundeten Tiger, der eine Vorliebe für Menschenfleisch entwickelt hat und die Dörfer im Norden des Landes terrorisiert. Und wo Sie schon dabei sind, möchte ich, dass Sie die Pistole von dem Ständer dort mitnehmen. Ein wenig moderner als die Donnerbüchse, mit der Scotland Yard Sie ausgestattet hat.«
Joe nahm die Pistole, auf die Sir George zeigte. »So eine habe ich noch nie gesehen«, sagte er beeindruckt. Die Waffe war klein und praktisch, auf das absolut Notwendige reduziert. Im Gegensatz zu dem Gewehr gab es keine Schnörkel, keinerlei Dekoration, um den eleganten 3 1/2-Inch-Lauf zu verschönern, der aus einem modellierten Griff ragte, in dem sich das Magazin befand.
»Nein, das können Sie auch nicht. Es ist eine Browning M, das diesjährige Modell. Das Magazin enthält acht Kugeln. Die Pistole ist so diskret und tödlich, wie sie aussieht. Sie könnten sie in die Tasche Ihrer Smokingjacke stecken, und niemand würde etwas bemerken. Ich dachte, wir verbringen den Nachmittag mit Übungsschießen, damit Sie ein Gefühl für sie bekommen.«
»George, wollen wir in den Krieg ziehen?« Joe war plötzlich besorgt.
Sir George dachte darüber nach. »Ich hoffe nicht. Aber es könnte zu Blutvergießen kommen. Am besten sind wir auf alles vorbereitet.«
»Sie sprachen von Thronfolge? Bestehen da Zweifel? Kann es zu Schwierigkeiten kommen? Und warum gerade jetzt? Ich habe Edgar so verstanden, dass der Prinz mittleren Alters ist. Hat er nicht eben erst seine dritte Frau geheiratet?«
»Es gibt etwas, von dem noch nicht einmal Edgar etwas mitbekommen hat. Und vermutlich sollte ich ihn warnen, bevor Sie beide nach Ranipur reisen. Der arme, alte Udai Singh
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