Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
- hat sie uns was getan?“
Milli sah Anna überrascht an. „Natürlich nicht. Der Strahl ist voll in den Schutzschild gegangen - nur bei längerer Bestrahlung hätten wir was abgekriegt.“
Johannas Visionen
Die Abende wurden kühler und der Spazierweg am großen See war in den Morgen- und Abendstunden wieder frei für eilige Fahrradfahrer. Es war Oktober geworden und Koppelitz strahlte in herbstlichen Goldtönen. Die bunten Blätter auf den Wegen raschelten wie Papier und flogen in die Höhe, wenn man hindurchschlenderte. Hoch oben am Himmel sammelten sich Zugvögel und drehten ihre Pirouetten.
Milli hatte sich hübsch gemacht und war auf dem Weg zu ihrer Mutter. Am kleinen See legte sie am Bootssteg eine Pause ein. Ihr saß der Schreck der Bombardierung noch in den Knochen. Sie hatten zwar geschützt im Bauch von Eliza gesessen, aber erwachsene Männer hatten sich aufgeführt wie eine Horde Bluthunde. Diese Männer wollten sie töten, dabei hätten sie genauso gut ihre Väter sein können. Gerechtigkeitshalber musste sie natürlich einräumen, dass die ja nicht wissen konnten, ob es sich nicht um den Angriff der Killertomaten handelte. Trotzdem - die Aggressivität, die diese Männer versprühten, und die sie über die Sensoren gespürt hatte, war bar jeder Vernunft …
„Schöne Bescherung – was?“, rief Chong Milli zu, als er sie am Bootssteg erwischte, „unser Schuppen ist zur permanenten Sperrzone geworden.“
„Von wegen unser Schuppen“, antwortete Milli lachend, „was wurschtelt dein Vater da eigentlich rum?“
„Ich kann ihn weglotsen“, Chong zog grinsend sein Handy aus der Tasche, „dann will ich aber mitfliegen.“
Milli schüttelte den Kopf, „ich wollte nicht fliegen“, sagte sie, „ich wollte nur kurz hier sitzen und mal gucken.“
Chong lächelte, „na dann“, er sah sie aufmerksam an. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und brachte sie zum blinzeln. Sie senkte den Blick und betrachtete ihre Schuhe.
„Und warum willst du hier sitzen und gucken?“, fragte er plötzlich und musterte sie von oben bis unten, „wartest du auf jemanden?“
Milli begegnete seinem Blick und war über sein Misstrauen erstaunt. „Nein, eigentlich wartet jemand auf mich“, sie hielt inne, Verärgerung trat in ihre Augen, „wie du mich anstarrst! Überwachst du mich?“
Ein Muskel zuckte in Chongs Gesicht. „Neiiin“, er wich einen Schritt zurück, „ich gucke nur das Kleid an … sieht gut aus.“
Millis Miene wurde nachgiebig. „Das ist ein Rock … aber macht nichts“, sie wandte sich zum Gehen. „Ich gehe zu meiner Mutter, hast du Lust mitzukommen?“
„Ach – deine Mutter“, Chong wirkte irgendwie erleichtert, „nee, ich muss noch was tun.“
Egoist! Plötzlich muss er was tun, dachte Milli grimmig, aber mit Eliza fliegen, dafür hätte er Zeit gehabt. Sie stampfte in den Waldboden, als müsse sie überschüssige Energie ablassen. Sie hatte den Besuch bei ihrer Mutter vor sich her geschoben und fragte sich, weshalb eine so simple Sache sie so melancholisch machte und wovor sie sich eigentlich fürchtete.
Das Rauschen des Baches verstärkte ihre traurige Stimmung. Sie fing an zu laufen. Erst am Wolgor See blieb sie stehen und blickte über das sonnenbeschienende Ufer. Ein kleines Mädchen spielte am Wasser mit einem Hund. Von vier Bänken war nur eine besetzt. Milli stutzte, dort saß ein Paar – den Rücken ihr zugewandt. Sie erkannte den Mann auf Anhieb - Nouri Gransar! Er hatte den Arm um Martina Kleeberg gelegt.
Milli fühlte einen Stich in der Brustgegend und ging entschlossenen Schrittes weiter. Anna hatte sich schon gewundert, dass Nouri nicht mehr ins Café kam. Das war also der Grund. Martina Kleeberg ließ sich von ihrem Untermieter trösten. Milli gingen alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Am Ende stieß sie einen verächtlichen Laut aus, über den sie selbst erschrak. Der Typ ist ein Idiot, sagte sie sich, aber wozu Anna unnötig wehtun, von ihr würde sie nichts erfahren.
Milli fand ihre Mutter im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss. Sie saß dort mit zwei Frauen in einer Sitzecke und einer Illustrierten auf dem Schoß. Johanna trug enge Jeans und eine lange karierte Bluse darüber. Sie hatte die Haare hochgesteckt und sich die Lippen geschminkt. Sie sah bezaubernd aus. Sie strahlte eine Zartheit und Zerbrechlichkeit aus, als sei sie nicht von dieser Welt.
Als Johanna Milli erblickte, kam sie ihr entgegen. Sie umarmten sich. Gemeinsam gingen sie auf
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