Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
diese methodische Maßnahme werden unterschiedliche Rollen aus dem Repertoire eines Menschen präzisiert und in Beziehung
gesetzt. Im Verlauf der Methodenapplikation finden meistens auch wieder spontane Umstrukturierungen von Deutungs- und Handlungsmustern
statt.
Gemeindepfarrer befinden sich meistens in einem chronischen Zustand von Rollenüberlastung. Im Verlauf eines Gruppen-Coachings
wurde eine derartige Problematik thematisiert. Der betreffende Protagonist/Pfarrer ordnete nun den anderen |283| acht Gruppenmitgliedern eigene Rollen zu. Da die Mitglieder für die vielen Rollen nicht ausreichten, mussten für einige weitere
Rollen leere Stühle aufgestellt werden. »Du meine Güte«, meinte nun der Protagonist selbst entsetzt über seine Rollenvielfalt.
Bis zur nächsten Arbeitssequenz versah er alle diese Rollen mit einer »Rollenbeschreibung«, wobei ihm allerdings auffiel,
dass sich einige seiner Rollen überschnitten, und vor allem, dass sie eine je unterschiedliche Gewichtung für die Gemeindemitglieder
auf der einen Seite und für ihn selbst auf der anderen hatten. Es gelang ihm nun zunehmend, Präferenzen zu setzen, welche
Rollen er besonders zeitintensiv ausgestalten wollte und welche nicht. Auf diese Weise gelangte er zu einer neuen Klarheit
in seiner Position.
Doppelgänger
(a)
Konzept:
Die methodische Maßnahme des »Doppelgängers«, auch »Hilfs-Ich« genannt, begegnet uns in verschiedenen Varianten. Die wichtigsten
von ihnen sind das telische Doppel, das einfühlende Doppel, das suggestive oder persuasive Doppel, das konfrontative Doppel,
das paradoxale Doppel und das multiple Doppel. Diese Arbeitsweise resultiert in ihrer klassischen Form, als
»telisches Doppel«
, aus dem Entwicklungsmodell von
Moreno
(vgl.
Mathias
1982). Danach wird in der frühen Mutter-Kind-Beziehung das mütterliche Ich vom noch ich-schwachen Kind zu seiner Stabilisierung
übernommen. In der konkreten methodischen Umsetzung tritt ein Hilfstherapeut oder eventuell auch ein Gruppenmitglied hinter
den Klienten und verbalisiert in maximaler psychischer »Verschmelzung« Gedanken und vor allem Gefühle, die der Klient noch
nicht zum Ausdruck zu bringen vermochte.
Eine weniger »konfluente«, also emotional distanziertere Form des Doppelns stellt das
»einfühlende Doppel«
dar. Hierbei artikuliert der Doppelgänger weniger tiefgreifende Gefühle als beim telischen Doppel, sondern eher solche, die
vorbewusst, für den Klienten leichter nachvollziehbar und damit schon zugänglich sind.
Beim
»suggestiven Doppel«
suggeriert der Doppelgänger bestimmte Gefühlsqualitäten. Beim
»persuasiven Doppel«
sucht er den Protagonisten sogar zu bestimmten Gefühlen bzw. Handlungen zu überreden. Beim
»konfrontativen Doppel«
artikuliert der Doppelgänger in provokativer Weise Emotionen des Klienten, die er in dieser Form noch gar nicht artikulieren
wollte, und beim
»paradoxalen Doppel«
artikuliert er geradezu entgegengesetzte Gefühle zu denen, die für den Klienten aktuell spürbar sind. Beim
»multiplen Doppel«
können zwei oder drei Doppelgänger eingesetzt |284| werden, die je unterschiedliche Gefühlsanteile des Klienten verkörpern. Im Verlauf des Spiels tritt der eine oder der andere
Doppelgänger, je nach den aktuellen emotionalen Besonderheiten des Klienten, in den Vordergrund.
(b)
Einsatzmöglichkeiten:
Doppelgängerarbeit dient im Coaching dazu, Deutungsmuster, die beim Klienten noch weitgehend prärational sind, prägnant zu
machen. Das gilt für noch nicht artikulierte Wünsche oder Hemmungen; das gilt aber auch für Ambivalenzkonflikte und kollidierende
Gefühle.
(c)
Effekte:
Ein wesentlicher Effekt des »Doppelns« besteht darin, innere Muster durch andere Personen in sprachliche übersetzen zu lassen.
Über diese Methodik wird der Klient geradezu gezwungen, sich mit diesen sprachlich ausgedrückten Mustern auseinander zu setzen,
sie anzunehmen oder abzulehnen. Auf diese Weise dienen sie der Präzisierung eigener Deutungsmuster und dadurch wieder zur
Umstrukturierung. Durch diese dialog-orientierten Maßnahmen werden aber auch die Deutungsmuster umfassend angereichert.
Die Leiterin eines Altenheims investierte große Mühe, alle Mitarbeiter und Bewohner des Hauses zufrieden zu stellen. Sie war
auf diese Weise heftig überfordert. Anlässlich einer Rekonstruktion der Haussitzungen stellte sich heraus, dass mit dieser
chronischen Selbstüberforderung
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