Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Botschaft leicht entschlüsseln kann. Besonders aus psychotherapeutischen Zusammenhängen ist aber bekannt,
dass Sender nicht nur beabsichtigte, also rational strukturierte Botschaften vermitteln, sondern auch halboder unbewusste.
Und gerade der Transfer von nicht bewussten oder nur halbbewussten Botschaften kann durch die Ladung von Materialmedien besonders
gut gefördert werden. So zeigt z. B.
Franzke
(1977) an einer Vielzahl von Beispielen aus der Psychotherapie, wie Menschen durch Malen oder durch die Arbeit mit Ton ihnen
bislang selbst kaum zugängliche Beunruhigungen oder Traumatisierungen an einen Therapeuten prägnanter als nur sprachlich übermitteln
können.
Materialien dienen dann auch im Coaching der Übermittlung von zweierlei Botschaftstypen: von rational beabsichtigten und von
rational schwer zugänglichen.
Materialien als Medien für beabsichtigte Botschaften
In vielen Coaching-Sitzungen ermöglichen derartige Medien überhaupt erst eine flüssige Verständigung zwischen Coach und Klient.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Fragestellungen von Klienten oftmals in sehr komplexen Kontexten stehen, wird sogleich
klar, dass Berater bei rein sprachlichen Darstellungen durch Klienten den thematischen Zusammenhang oft nur mit Mühe erfassen
können. Viele Themen berühren ja Kontextphänomene, die das Verstehen organisatorischer Muster formaler und informeller Art
sowie ihrer Verschränkung mit organisatorischen Umweltsegmenten voraussetzen.
|288| Zur Veranschaulichung formal struktureller Muster empfiehlt schon die traditionelle Organisationslehre,
»Organigramme«
anzufertigen. Dabei handelt es sich um grafische Darstellungen einer organisatorischen Soll-Struktur (
Joschke
1980). In konkreten Beratungssequenzen dienen oft kleine Organigramm-Skizzen der raschen Verständigung über formale Variablen.
Zur Veranschaulichung organisatorischer Konfigurationen bieten sich aber auch andere Medien an, wie z. B. bunte Pappplättchen,
Bau- oder Magnetsteine. Als »flexible Organigramme« (
Schreyögg
1991) können sie im Fortlauf eines Beratungsdialogs immer wieder verschoben werden. Sie sind vor allem bei der Darstellung
von nichtformalen organisatorischen Phänomenen wie der informellen Struktur oder der Mikropolitik (
Neuberger
1993) eines Unternehmens relevant. Informelle Phänomene stellen ja schwer objektivierbare Fakten dar, sodass sie immer einer
Ausdeutung durch Klient und Coach bedürfen. Im Verlauf eines Beratungsgesprächs verändert sich häufig die Einschätzung der
Gesprächspartner von Art und Bedeutung informeller Konfigurationen. Ihre jeweilige Einschätzung können sie dann im sofortigen
Verschieben von Steinen manifestieren. In vielen anderen Fällen geht es um Relationen von formalen Mustern zu informellen,
was ebenfalls durch flexible Organigramme besser veranschaulicht werden kann.
So lässt sich etwa die formale Struktur eines Systems mit blauen Steinen und die informelle mit roten kenntlich machen. Und
zur Veranschaulichung der Mikropolitik eines Systems, also der Differenzierung in unterschiedliche Interessengruppen, kann
die eine Gruppierung mit roten Steinen, die andere mit blauen charakterisiert werden usw.
Häufig wollen Klienten auch prozessuale Phänomene übermitteln, z. B. die Entwicklung einer Organisation, die Entwicklung einer
Profession oder ihre eigene Leistungsgeschichte. Für solche Zwecke bieten sich Panoramazeichnungen an. Bei diesen malt der
Klient auf ein großes Blatt Papier oder auf eine Tapetenrolle je verschiedene Stadien des aktuell zu verhandelnden Gegenstandes
auf.
Durch Materialmedien gelingt es Klienten jedenfalls oft leichter, Beratern zu übermitteln, welche speziellen Phänomene für
ihre Fragestellungen aktuell relevant sind und wie sie sich ihrer Meinung nach im Einzelnen ausgestalten.
|289| Materialien als Medien für prärationale Botschaften
Fast noch häufiger dienen Materialmedien der Übermittlung von Botschaften, die der Klient selbst noch nicht bündig zu artikulieren
vermag bzw. die er erst im Verlauf von Medienarbeit erfassen kann. Ich hatte eben schon verschiedene nichtformale Systemphänomene
angesprochen. Durch ihren diffusen Charakter treten sie bei Klienten oft erst im Verlauf einer Darstellung mit Steinen oder
durchs Malen ins wache Bewusstsein. In vielen anderen Fällen bringen Klienten sehr unbestimmte Gefühle von Unbehaglichkeit
am Arbeitsplatz oder diffuse Eindrücke von
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