Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
ausgesprochen ambivalente Gefühle einhergingen. Nun wurden zwei Doppel gebeten, einen positiven
und einen negativen Gefühlsanteil zu verkörpern. Die Protagonistin wehrte das negative, relativ aggressive Doppel zunächst
eher ab. Im weiteren Verlauf wurde sie diesem Anteil gegenüber immer aufmerksamer. Am Ende des Rollenspiels wirkte sie sehr
nachdenklich: »Ja, ich sollte mehr delegieren«, meinte sie. »Dass ich mir ja auch Entlastung schaffen kann, ziehe ich immer
noch gar nicht in Betracht.«
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden erlebnis- und handlungsorientierte Methoden für die Anwendung im Coaching dargestellt. Sie entstammen
einschlägigen Psychotherapieverfahren, genauer: der Gestalttherapie und dem Psychodrama. Als grundlegende Bedeutungen dieser
Methodik beschreibe |285| ich ihre Informationsfunktion für prärationales Material aufseiten der Klienten, ihre handlungsmodifizierende Funktion und
ihre ausdrucksfördernde Wirkung. Der Einsatz derartiger Methoden erfordert aber aufseiten des Coach eine Auseinandersetzung
mit ihrer jeweiligen »Eigenladung«, d. h. den Assoziationen, die Menschen beim Einsatz derartiger Methodik üblicherweise haben.
Der Methodeneinsatz erfordert vom Coach auch Überlegungen, bei welchen Personen und in welchen Situationen diese Arbeitsformen
voraussichtlich welche Wirkungen erzeugen. Als Funktionen erlebnis- und handlungsorientierter Methodik im Coaching stelle
ich ihre Unterstützung bei Rekonstruktionen und der anschließenden Problemformulierung heraus sowie ihre Bedeutung bei der
gezielten Veränderungsarbeit mit Klienten. Hier zeige ich, wie durch solche methodischen Maßnahmen Deutungs- und Handlungsmuster
von Klienten umstrukturiert und erweitert werden können. Zum Abschluss des Kapitels stelle ich nun die sprachüberschreitende
Methodik im Einzelnen dar. Dabei umreiße ich in einem ersten Schritt jeweils das betreffende Therapieverfahren, also die Gestalttherapie
und das Psychodrama. Sodann zeige ich für beide Verfahren die relevantesten methodischen Maßnahmen mit ihrem jeweiligen Konzept,
ihren Einsatzmöglichkeiten und Effekten im Coaching.
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|286| Kapitel 11
Methodische Anleihen im »Kinderzimmer«– Die Arbeit mit Materialien im Coaching
Wenn der Coach das traditionelle Gespräch überschreiten will, kann er auch methodische Anleihen im »Kinderzimmer« nehmen.
Es lassen sich nämlich eine Vielzahl von Medien heranziehen, die bei den meisten Menschen zunächst Assoziationen von »Kinderkram«
hervorrufen. Dabei handelt sich um »Materialmedien« (
Schreyögg
1991), die aufgrund ihrer Eigenladung eher als ungewöhnliches methodisches Handwerkszeug für eine so »ernste Angelegenheit«
wie die Führungsberatung betrachtet werden.
Gerade Medien wie Malstifte, Puppen usw., mit denen Kinder ganz selbstverständlich hantieren, können das Coaching aber oft
erheblich bereichern. Ihre Anwendung setzt allerdings, wie die im letzten Kapitel beschriebenen Methoden, besondere Kompetenzen
aufseiten des Coach voraus: Er muss ihre generelle Bedeutung für die Beratung erfassen, muss Kriterien für ihre kompetente
Anwendung kennen, und er muss ihre potenziellen Funktionen fürs Coaching antizipieren. Außerdem braucht er entsprechende Qualifikationen
bei der Ausdeutung derartiger Medienarbeit – und er braucht eine breite Kenntnis einschlägig relevanter Medien.
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1. Die generelle Bedeutung von Materialien im Coaching
Ähnlich wie den bisher beschriebenen Arbeitsformen kommt auch Materialmedien im Coaching eine
Informationsfunktion
zu. Darüber hinaus kann sich der Klient durch sie
Ausdruck verleihen
.
|287| 1.1 Die Informationsfunktion von Materialien
Wie andere Medien können auch Materialien zunächst der Informationsübermittlung zwischen Menschen dienen. Ein Sender lädt
ein Medium auf, in unserem Fall irgendein Materialmedium, und der Empfänger entnimmt dem Medium eine Information (
Hartley, Hartley
1955). Der Sender zeichnet z. B. mit einem Stift auf ein Blatt Papier irgendeine Botschaft, und der Empfänger entschlüsselt
die Botschaft, d. h. er deutet ihren Sinn aus.
Bei einem derartigen Informationstransfer denken wir allerdings meistens nur an die Übermittlung von rational leicht zugänglichen
Botschaften. Das heißt, wir antizipieren lediglich Transferprozesse, bei denen der Sender genau weiß, was er übermitteln will,
und der Empfänger die
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