Coconut Caye - Insel der Lust
verdammten Respekt, ihre Anerkennung und alles, was sie sonst noch brauchte, oder? Ihre Führungsposition gab ihr, was ihre Mutter ihr nicht geben wollte. Damit bewies sie, dass Sydney Ford, die Tochter der berühmten Künstlerin, durchaus kreativ sein konnte.
Wo war der Unterschied, ob sie der Kopf hinter den künstlerischen Talenten war oder selbst das Talent mitbrachte? Sie hatte dafür gesorgt, dass aus einem kreativen Team ein erfolgreiches Modeimperium wurde. Sie ganz allein.
Leider sah die Sache bei Licht betrachtet weit weniger überzeugend aus als gestern Abend – bevor Ray sie im Arbeitszimmer ihres Vaters allein zurückgelassen hatte. Da hatte sie sich schrecklich einsam gefühlt. Sie hatte Trost gesucht, als sie sich zwischen Nolans Büchern, Bildern und Möbeln vergrub. Das hatte selbst Ray sofort erkannt. Doch leider war die erwünschte Wirkung ausgeblieben.
Sie vermisste ihren Vater so sehr, dass es wehtat.
Und als wäre das noch nicht schlimm genug, hatte sie nun auch den Mann verloren, den sie liebte. Ray hatte sich am Morgen von Menga Duarte aufs Festland bringen lassen, zusammen mit Anton Neville. Beide Männer wollten den nächsten Flug nach Houston nehmen.
Sydney blickte aufs Meer hinaus, wo ein paar Segelboote über die Wellen glitten, und seufzte. Lauren neben ihr seufzte ebenfalls.
“Ich hätte nicht gedacht, dass sie abfahren”, sagte Sydney.
“Ich auch nicht”, meinte Lauren, zog die Beine an und stützte ihr Kinn auf die Knie. “Was sind das für Männer, die einfach weglaufen, wenn es einmal brenzlig wird? Wir laufen ja schließlich auch nicht weg.”
“Nein, tun wir nicht. Aber vielleicht ja nur, weil wir nicht weg können, ehe Menga zurück ist.”
“Hmm, da könnte was dran sein.” Lauren wiegte sich hin und her.
Sydney legte ihr die Hand auf die Schulter, weil sie die Unruhe ihrer Freundin nervös machte. “Kannst du nicht ruhig sitzen? Ich werde gleich seekrank.”
Mit einem Stöhnen ließ Lauren sich rücklings in den Sand fallen. “Na prima, jetzt wird dir auch noch schlecht, wenn ich in deiner Nähe bin.”
“Ihr macht mich krank”, sagte Poe, die gerade kam und sich neben Sydney setzte. “Allerdings nicht so krank wie die beiden Typen da drin. Man kann fast meinen, sie wären diejenigen, die von ihren Liebsten verlassen wurden. Die schmollen ja um die Wette.”
“Ich schmolle nicht”, entgegnete Sydney. “Ich trauere.”
Lauren verdrehte die Augen. “Na hör mal, Ray ist doch nicht gestorben.”
Nun zog Sydney eine Grimasse. “Unsinn, ich trauere nicht um einen Mann, sondern weil mein Urlaub vorbei ist. Außerdem ärgere ich mich darüber, dass ich nicht wie geplant durch die Staaten gereist bin, in netten Frühstückspensionen übernachtet und mich richtig verwöhnt habe. Stattdessen hing ich für eine unerträglich lange Woche auf einer Tropeninsel fest.”
“Du hast den Teil mit dem heißen Urlaubsflirt ausgelassen”, meinte Poe trocken.
“Ach ja, genau”, sagte Sydney und blinzelte in die Sonne. Eine der Yachten auf dem Meer nahm Kurs auf die Insel. Sie kannte dieses Boot. Es war die “Indiscreet”. Eigentlich hatte sie sie nicht vor morgen erwartet, war aber froh, dass sie früher kam. Endlich konnte sie nach Hause!
Schon morgen hatte sie ihr normales Leben zurück. Hurra!
Aber sie wollte die Bedeutung dessen, was zwischen Ray und ihr gewesen war, nicht durch Witze mit ihren Freundinnen herunterspielen: “Nein, mit dem Urlaubsflirt hatte ich auch keine Probleme. Eher mit den Unmengen Alkohol, die ich in den letzten Tagen in mich hineingeschüttet habe.”
“Danach wollte ich dich sowieso schon fragen. Bist du nicht normalerweise eingeschworene Teetrinkerin?”, fragte Lauren, die sich auf die Ellbogen aufgestützt hatte und Sydney prüfend ansah. Dann blickte sie aufs Meer hinaus. “He, ist das nicht die 'Indiscreet'?”
“Sollten meine Gebete erhört worden sein, ist sie das”, antwortete Sydney. “Ich kann es gar nicht erwarten, endlich von dieser Insel runterzukommen.”
Kinsey kam zu ihnen und setzte sich neben Lauren. “Ich verstehe dich nicht, Sydney. Wie kannst du Houston dieser paradiesischen Insel vorziehen?”
Genau die Frage wollte Sydney lieber nicht beantworten. Momentan erinnerte sie alles in diesem Paradies an Ray, und das machte ihr ernsthaft zu schaffen. Sie brauchte Zeit, um über ihn hinwegzukommen. Und sobald ihr das gelungen war, konnte sie auch die Schönheiten der Tropeninsel wieder genießen.
Wem
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