Code Delta
Stimme und starkem Akzent. »Ich kann nicht mehr. Ich weiß nichts. Ich weiß nicht, was Sie mich fragen.«
»Ich frage dich ja gar nichts«, sagte die tiefe Stimme. Ein verzweifelter Aufschrei folgte, und das Klatschen von Fleisch auf Fleisch.
Obwohl sie nichts sehen konnte, hatte Fiona ein deutliches Bild vor Augen: ein Mann, an einen Stuhl gefesselt. Er dachte, es wäre ein Verhör, doch der andere Mann, der mit der tiefen Stimme, stellte keine Fragen. Was wollte er dann?
Sie hörte ein Ausspucken. Sie war nicht sicher, von wem es gekommen war, bis der Gefangene sagte: »Wenn ich wüsste, was Sie wollen, würde ich trotzdem nichts sagen! Amerikanisches Schwein!« Er spuckte abermals aus.
Zwei weitere Schreie folgten. Einer voll Zorn. Einer voll Furcht. Holz krachte auf Stein. Der Stuhl war umgefallen. Heftiges Atmen. Würgen. Scharren.
Fionas Augen weiteten sich entsetzt, als in ihrem Kopf ein schreckliches Bild auftauchte: Der Gefangene war mitsamt seinem Stuhl umgeworfen und erdrosselt worden. Sein Mörder richtete sich auf, räusperte sich und sprach dann wieder in dieser seltsamen Sprache, doch diesmal mit der Sicherheit langer Übung: »Versatu elid vas re’eish clom, emet.«
Sie wiederholte in Gedanken die Worte, ohne ihre Bedeutung zu verstehen, aber entschlossen, sie sich einzuprägen. King betonte immer, wie wichtig es war, Informationen zu sammeln, bevor man handelte. Und in ihrer kahlen Zelle hatte sie ohnehin nichts Besseres zu tun.
Ein neuer Schatten glitt durch den Raum, bei jedem Schritt begleitet von lautem Knirschen.
»Bring mir Wasser«, befahl die tiefe Stimme.
Die ungeschlachten Schritte entfernten sich und kehrten gleich darauf zurück. Fiona hörte den Mann trinken. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie fragte sich, ob sie um einen Schluck bitten sollte, entschied sich aber dagegen. Sobald der Mann wusste, dass sie wach war und sich ihrer Fesseln entledigt hatte, würde sie ganz bestimmt nichts Wichtiges mehr in Erfahrung bringen können.
»Tisioh fesh met«, sagte der Mann.
Der zweite Schatten erstarrte.
Als ihr klar wurde, dass sie gerade die Schöpfung und das Ende eines der Steinmonster erlebt hatte, packte sie die Angst und löschte die fremdartigen Worte aus ihrem Gedächtnis. Sie verfiel in Schüttelfrost. Sie konnte sich nicht erinnern, sich je im Leben so elend gefühlt zu haben.
Oh nein , dachte sie, als es ihr plötzlich siedend heiß einfiel.
Fieberhaft tastete sie nach der Insulinpumpe. Sie war weg. Mit ihrer Furcht schwoll auch die Übelkeit an und drohte, sie zu überwältigen. Sie zwang sich, tief durchzuatmen, bis die Angst nachließ und sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
Ich muss sie bei meiner Entführung verloren haben, dachte sie. Jetzt war ihr klar, warum sie sich so miserabel fühlte. Der Schwindel. Die Kopfschmerzen. Die Dehydrierung.
Hypoglykämie .
Normalerweise dauerte es ein oder zwei Wochen, bevor es richtig gefährlich wurde, bevor sie ins Koma fiel oder, schlimmer noch, starb. Aber das galt bei strenger Diät. Viel Wasser half dabei, das Stoffwechselsystem zu reinigen, aber sie hatte keines. Manche Menschen überlebten fünf oder sechs Tage, ohne zu trinken, doch die meisten starben schon nach dreien. Da sie bereits dehydriert war und die ersten Auswirkungen des Überzuckers spürte, bezweifelte sie, dass sie einen weiteren Tag überstehen konnte.
Sie versuchte, sich an die seltsamen Worte des Mannes zu erinnern und sie sich einzuprägen. Zu ihrem Ärger gelang es ihr nicht. Die Übelkeit war übermächtig. Zitternd vor Anstrengung kämpfte sie gegen den Brechreiz an.
Sie kehrte zu ihrem Beobachtungsposten am Spalt in der Wand zurück und wünschte sich, dass der Mann noch etwas Wichtiges sagen und ihr Vater rechtzeitig eintreffen würde, um die gesammelten Informationen verwenden zu können. Dann hörte sie eine zweite, gurgelnde Stimme.
»Wir haben nur noch eine Testperson«, bemerkte diese. »Sollen wir noch mehr besorgen lassen?«
»Noch nicht«, erwiderte die tiefe Stimme. »Das würde nur unnötig Aufmerksamkeit erregen. Nicht, bevor wir bereit sind.« Ein Scharren von Füßen, und dann: »Wenn die nächste nicht überlebt, nehmen wir das Mädchen.«
Fionas Hoffnung schwand. Sie betete darum, dass damit nicht sie gemeint war, obwohl sie insgeheim wusste, dass bald sie auf dem Stuhl des toten Mannes sitzen würde. Die nächsten Sätze ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren.
»Aber wie können wir wissen, ob die
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