Code Freebird (German Edition)
geht um die moralische Rechtfertigung seines Tuns. Daran ist er gescheitert. So empfindet er es zumindest.»
«Seit wann ist er hier?»
«Er wurde vor einem Monat eingeliefert, nachdem er aus Ramstein geflüchtet war.»
«Wovor?»
«Ich nehme an, vor seinen Leuten, der Army, vor allem. Seine Einheit war nur auf einem Zwischenstopp, sollte am nächsten Tag zurück in die Staaten fliegen. In dieser Nacht ist er ausgebrochen und hat sich mehrere Wochen durchs Land getrieben. Vor ein paar Tagen wurde er hier in der Nähe aufgegriffen. Er stand auf einer Brücke und wollte sich hinunterstürzen. Sollte er jemals das Krankenhaus wieder verlassen, wartet ein Disziplinarverfahren auf ihn.»
Aus der Tiefe des Gangs rief jemand: «Major Tomlin, wir brauchen Sie, dringend.»
Tomlin nickte und reichte Levy die Hand. «Sie finden Cromley im Park. Er sitzt auf einer Bank, direkt unter einem Kirschbaum. Sie können ihn nicht verfehlen. Seien Sie aber vorsichtig. Man weiß nie, wie er reagiert. Wenn es Probleme gibt, rufen Sie nach der Security. Sie ist auf dem ganzen Gelände verteilt.»
Levy bedankte sich und ging durch eine Tür hinaus. Nach ein paar Schritten fand er den Kirschbaum und eine Bank. Darauf saßen zwei Männer.
«Sergeant Cromley?», fragte Levy die beiden.
Der linkssitzende Mann schaute ihn an. Sein Blick war in keinster Weise überrascht oder aufmerksam. Die Medikamente hatten alles Licht aus seinen Augen genommen. Levy schätzte ihn auf Ende zwanzig. Die Haare waren über das militärische Soll hinausgewachsen, strubbelig und nicht gepflegt. Auch eine Rasur hätte der Mann nötig gehabt. Sein Erscheinungsbild passte zu Major Tomlins Diagnose. Alles Leben in diesem Mann war auf die notwendigen Vorgänge reduziert.
«Meine Name ist Balthasar Levy. Sergeant Huey O’Brien gab mir Ihren Namen. Er sagte, Sie könnten mir zu einem Ihrer Kameraden etwas berichten.»
Cromley schaute ihn aus graubraunen Augen ausdruckslos an. Antidepressiva. Es schien, als ob er nicht verstanden hätte.
Der andere Mann meldete sich zu Wort. «Haben Sie etwas Geduld. Er kennt Sie noch nicht. Es braucht Zeit.»
Levy nickte und reichte ihm die Hand zum Gruß. «Balthasar Levy. Angenehm.»
«Jeffrey», stellte er sich vor. «Ich bin ein Freund von Jason.»
Dieser Mann wirkte wach. Sein Händedruck war bestimmt, trotzdem irgendwie dünn, wie auch dessen Statur, nicht schmächtig, sondern kantig trainiert, wie bei Marathonläufern üblich. Er wirkte gepflegt, hatte wahrscheinlich eine Urlaubsreise in der Sonne hinter sich oder war ein Kamerad Cromleys, der aus dem Einsatzgebiet zurückgekehrt war. Auch das Alter trennte sie. Er mochte gut vierzig Jahre alt sein.
«Wie geht es ihm?», fragte Levy.
«Besser», antwortete Jeffrey. «Hier hat er Ruhe gefunden.»
«Ist er ansprechbar?»
«Ja, aber erhoffen Sie sich nicht zu viel. Am besten setzen Sie sich eine Weile zu ihm, bis er anfängt, Sie zu akzeptieren.»
Jeffrey umarmte Cromley. Sie verabschiedeten sich stumm. Levy erkannte nun, wieso ihm der Händedruck Jeffreys so dünn vorgekommen war. Ihm fehlten zwei Finger. Wahrscheinlich ein Souvenir aus dem Krieg.
Er erhob sich. «Machen Sie’s gut», sagte er zu Levy und ging.
Levy nickte und schaute ihm nach. Dann setzte er sich auf den frei gewordenen Platz und wartete auf eine Reaktion Cromleys. Der ließ sich jedoch Zeit. Weitaus spannender als ein Gespräch empfand er den Kirschbaum und die Amseln, die hin und wieder darauf landeten.
So verstrich gut eine halbe Stunde, und Levy war kurz davor, wieder zu gehen.
«Was hat Ihnen Huey gesagt?», fragte Cromley unvermittelt und mit ruhiger Stimme.
Er schaute Levy nicht an. Sein Blick war nach vorn gerichtet.
«Er meinte, dass Sie mir etwas zum Blade Runner sagen können.»
Cromley schwieg. Es schien zu dauern, bis seine Nervenbahnen die Informationen an die betreffende Stelle im Gehirn weitergeleitet hatten. «Was wollen Sie von ihm?»
«Sein Name taucht immer wieder auf. Ich möchte erfahren, wer er ist.»
«Worum geht es?»
Levy berichtete kurz und in einfachen Worten, was sich in den letzten Wochen zugetragen hatte. Cromley hörte aufmerksam zu, es machte zumindest den Eindruck auf Levy.
«Angel Hernandez», antwortete Cromley schließlich. «Nicht gerade ein günstiger Name für einen Marine. Beim Sturm auf Bagdad saßen wir im selben Humvee.»
«Was ist das, ein Humvee?»
«Das Allzweckfahrzeug der US-Armee, Nachfolger des Jeep. Sieht aus wie der gottverdammte
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