Code Freebird
darauf geachtet, was sich um ihn herum abspielte. »Worum geht’s?«, fragte er.
Aaliyah antwortete mit einem Fingerzeig auf Weingarten.
»Hör mal zu.«
Jeff Weingarten stand inmitten von vierhundert Politikern, Managern und Journalisten und führte seine Anklage »Wir alle, die wir hier sitzen, haben uns schuldig gemacht.
Die Politiker, die trotz ihres Neins zum Irakkrieg den amerikanischen Truppen halfen, wo sie nur konnten. Das betrifft die Überflugrechte genauso wie die Aufklärung und den Schutz ihrer Basen. Die Manager, die vor, während und nach dem Krieg Geschäfte gemacht haben. Doch was mit am schlimmsten ist: Meine eigenen Kollegen von der Presse haben sich mit dem Aggressor verbrüdert …«
Ein Raunen ging durch die Reihen. »Gerade ihr, die ihr zu Wahrheit und Aufklärung verpflichtet seid, habt das größte Verbrechen begangen …«
Buhrufe waren zu hören. »Ihr habt die Wahrheit wissentlich verleugnet und Lügen verbreitet. Was kann schlimmer sein? Nein, nicht der Tod. Er ist die Erlösung für viele geworden. Die Lüge ist es, die ihr Leben verrät …«
Einige Journalisten sprangen auf und beschimpften Weingarten.
»Mr. Weingarten«, sprach ein Mann auf der Bühne ins Mikrofon, »ich weiß wirklich nicht, wie uns Ihre haltlosen Anschuldigungen weiterbringen sollen.«
Unbeeindruckt von den Schmährufen und Tumulten nahm Weingarten seine Perücke vom Kopf und zog Jackett und Hemd aus.
Auf seinem ausgemergelten Oberkörper und am nun haarlosen Schädel waren Verätzungen und Brandwunden zu erkennen, die viele im Raum erschaudern ließen. »Ich war in Falludja in dieser Nacht«, sprach Weingarten. »Was mir widerfahren ist, ist nur ein winziger Teil dessen, was die Menschen dort erlebt haben. MK-77, das gegen die vermeintlich Aufständischen und gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurde, ist eines der größten Kriegsverbrechen, das die amerikanische Regierung zu verantworten hat. Und ihr, Kollegen, habt bis heute darüber geschwiegen. Damit seid ihr Teil dieses Mordes geworden. Wer die Wahrheit nicht ausspricht, macht sich der Lüge schuldig.«
Wieder erhoben sich laute Zwischenrufe aus den Reihen der Journalisten. Einer schrie: »Wir konnten aus Falludja nicht berichten. Nur was die Prüfung des Militärs bestand, ging durch.«
Ein anderer warf ein: »Der Death-Check in der Moschee war das Äußerste, was sendefähig war.«
»Blödsinn!«, hielt Weingarten dagegen. »Ihr habt mit dem Militär gemeinsame Sache gemacht. Ihr wolltet eure Story haben und euch den Titel Kriegsberichterstatter an die Wand nageln, sonst wärt ihr da überhaupt nicht reingekommen. Der Preis, für den ihr euch verkauft habt, war die Story … und eure Ehre.«
Ein Zwischenruf erinnerte Weingarten an seine eigene Geschichte. »Wer ist denn an vorderster Front fünfmal am Tag auf den Fernsehbildschirmen aufgetaucht?«
»Richtig. Auch ich habe mich verführen lassen. Viel zu spät habe ich erkannt, dass ich nur ein Teil dieser Inszenierung war.«
»Na also. Was willst du dann?«
»Dass ihr wieder auf den Weg eines seriösen Journalismus zurückkehrt und die Machenschaften dieser Regierung hinterfragt, anstatt ihr um den Bart zu gehen. Erinnert euch an Watergate. Ohne uns hätte es eine Aufklärung der Affäre nie gegeben. Oder an den Krieg in Vietnam. Unsere Bilder und unsere Reportagen haben ihn beendet.«
»Die Zeiten sind andere geworden.«
»Mehr denn je müssen wir hinterfragen, kritisieren und aufdecken, was hinter unserem Rücken oder in unserem Namen geschieht. Das ist unsere verdammte Pflicht als Journalisten. Selbst wenn wir uns dafür in Gefahr begeben müssen … wir dürfen denen nicht kampflos das Feld überlassen. Wenn wir schweigen, verlieren die Schutzlosen dieser Welt ihre Stimme.
So wie in Falludja, wo Kinder, Frauen, Alte und Verletzte einen sinnlosen, niederträchtigen und schmerzvollen Tod erleiden mussten. Wenn wir schweigen, hat es dieses Massaker nie gegeben, und die Schuldigen kommen ungestraft davon.«
Nun meldete sich Patricia Walker, die den Auftritt Weingartens bisher still verfolgt hatte, zu Wort. »Der Einsatz von MK-77 ist längst von uns zugegeben worden. Er diente einzig der Beleuchtung des Kampfgebietes. Unter Umständen gab es einige wenige Kollateralschäden. Das lässt sich während Kriegshandlungen nicht vermeiden und tut uns natürlich leid.
Jeff, ich weiß wirklich nicht, was diese ganzen haltlosen Vorwürfe hier bringen sollen.«
»Kollateralschäden«,
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