Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
versuchte, sich zu orientieren. Er zitterte und war vollkommen durcheinander. Sein Atem ging schwer. Vor allem sein linkes Bein bereitete ihm große Schmerzen. Darum verlagerte
er sein Gewicht hauptsächlich auf das rechte Bein. Die zahlreichen kleineren Prellungen und Schürfwunden verursachten ihm keine allzu großen Beschwerden – Adrenalin war ein hervorragender Schmerzhemmer. Morgen früh, falls er tatsächlich so lange am Leben bleiben sollte, würde er sich furchtbar fühlen. Er freute sich jetzt schon darauf.
Er blickte sich um und stellte fest, dass das jenseitige Flussufer vielleicht zwanzig Meter, das diesseitige nicht einmal halb so weit entfernt war. Er konnte niedergewalzte Büsche und kleine, abgeknickte Bäume erkennen, die der Jeep auf seiner rasenden Fahrt umgemäht hatte, bevor er von einer etwas erhöhten Stelle der Uferböschung abgeflogen war. Metallischer Blutgeschmack lag ihm im Mund.
Es war nicht zu erkennen, wo der Attentäter gelandet war. Womöglich war er ja tot, aber wenn Victor den Unfall überlebt hatte, dann sein Feind vielleicht auch. Er musste sicher sein. Er musste die Leiche sehen. Nachdem er sich noch ein wenig ausgeruht hatte, stieß er sich vom Jeep ab und machte sich auf den Weg ans nahegelegene Ufer, watete durch das knietiefe Wasser. Der aufgewirbelte Schlamm machte es dickflüssig und schwarz, und je näher er dem Ufer kam, desto seichter wurde es. Er hatte keine Waffe mehr und fühlte sich nackt.
Als er die ersten beiden Schritte auf die Uferböschung gemacht hatte, sah er einen Russen hinter den Bäumen hervorkommen, in geduckter Haltung, mit selbstbewussten Bewegungen, eine Bizon in der Hand.
Victor wurde nicht von Neun-Millimeter-Geschossen durchsiebt, also blieb er stehen und wartete ab. Der Russe lächelte Victor an und bedeutete ihm, näher zu kommen. Sie waren jetzt noch fünf Meter voneinander entfernt.
Der Russe sagte: »Du hast Glück, dass er dich lebend haben will. Erst mal.«
Victor sagte nichts.
In jedem Pick-up hatten zwei Russen gesessen. Wo war der
zweite? Victor trat langsam näher, mit schlurfenden Schritten, gab vor, stärker verletzt zu sein, als er tatsächlich war. Er blickte sich um. Die Straße musste irgendwo hinter den Büschen und Bäumen verlaufen, auch wenn er sie nicht sehen konnte, vielleicht hundert Meter weiter den Hang hinauf. Trotz der Sonne war es dunkel unter dem dichten Blätterdach. Drei Meter.
Der Russe winkte Victor näher heran, und er verzog bei jedem Schritt das Gesicht, als könne er kaum stehen. Er musste dicht an ihn herankommen, wenn er überhaupt etwas versuchen wollte, aber gleichzeitig war ihm klar, dass er, sobald er in Reichweite war, den Kolben der Maschinenpistole am Schädel spüren würde. Er atmete unkontrolliert, ließ den Adrenalinspiegel steigen, schärfte seine Sinne, lud seine Muskeln bis zum Äußersten auf. Zwei Meter.
Beim nächsten Schritt würde Victor angreifen, würde darauf vertrauen, dass der Russe ihm seine zur Schau gestellte Schwäche abgekauft hatte … es war eine kleine Chance, aber auch seine einzige.
Da ertönte eine kalte Stimme im Rücken des Russen: »Wenn ihn einer umbringt, dann ich.«
Gedämpfte Schüsse. Zwei. Eine Doppelsalve.
Der Russe riss die Arme nach vorn, in seinen verzerrten Zügen spiegelten sich eine Sekunde lang Schock, Angst und Schmerz, dann erschlaffte er und sank mit dem Gesicht voran direkt vor Victor in den Schlamm. In seinem Rücken waren zwei Löcher zu erkennen, so dicht beieinander, dass die Ränder sich berührten.
Keine zehn Meter entfernt stand Reed regungslos im Dickicht. Er hielt die Glock beidhändig direkt auf Victors Brust gerichtet. Reed sagte kein Wort. Er blinzelte nicht.
Victor holte tief Luft. Jetzt war er ein toter Mann, das stand fest. Den Russen hätte er unter Umständen vielleicht noch überwältigen können, aber dieser Feind hier wollte ihn nicht lebend wegschaffen. Auf eine solch kurze Entfernung hätte
Victor auch trotz seiner Verletzungen niemals danebengeschossen, und er wusste, dass das auch für den Attentäter galt. Die einzig mögliche Deckung waren die Bäume, und die befanden sich hinter seinem Gegner. Selbst wenn sein Bein noch einwandfrei funktioniert hätte, er hätte es nicht einmal annähernd bis dorthin geschafft. Und die Flucht zurück in den Fluss zum Jeep wäre noch aussichtsloser gewesen. Auch wenn er irgendwie bis dahin gelangt wäre, ohne erschossen zu werden, was hätte er dann gemacht?
Nichts, lautete die
Weitere Kostenlose Bücher