Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Zentimeter von bin Ladens Fingern entfernt hatten die Red Men auch Osamas berühmte Sutschka -Maschinenpistole geborgen. Die Waffe hängt jetzt an zwei Nägeln, die im Teamzimmer des Red Squadrons auf dem „Todesstern“ in die Wand geschlagen worden waren. Gleich daneben sind die Fotos von einem Dutzend Red-Squadron-Mitgliedern angebracht, die im Einsatz getötet wurden, seit das Team 1981 die Arbeit aufnahm.
An jenem Nachmittag im Hangar hatte der Präsident offenbar keine Eile. Er ließ sich fotografieren und verlieh der TF-160 und dem SEAL-Team 6 die Presidential Unit Citation, eine Auszeichnung für Einheiten der US-Streitkräfte, die sich durch besonders heldenhafte Taten hervorgetan haben. Er riss Witze und alle lachten.
Der Präsident schüttelte ganz bewusst jedem einzelnen Teammitglied die Hand. Als ihm die Männer von Razor 1 vorgestellt wurden, fragte er: „Und wer von Ihnen hat Osama ausgeschaltet?“
Da trat respektvolle Stille ein. Dann sagte Frank Leslie: „Wir alle, Sir. Wir alle waren es.“
WIE DIESES BUCH ENTSTAND
DIE HAUPTQUELLEN FÜR DIESE GESCHICHTE waren die Männer des SEAL-Teams 6, die mir erzählten, was sie gesehen, gedacht und gefühlt haben. Die Vorbereitungen und Übungen für Neptune’s Spear erstreckten sich über mehrere Monate. In den Wochen und Monaten vor dem Einsatz hatte ich die besondere Ehre, Truppen und Platoons für untergeordnete Missionen zu trainieren und parallele Missionen mit hochwertigen Zielpersonen durchzuführen. Neptune’s Spear war eine hochgeheime Operation, deren Trainingseinheiten „offen“ in anderen SEAL-Team-Übungen verborgen wurden. Selbst wenn es übt, bleibt das Schattenreich unsichtbar. Bei einer komplexen Mission hat kein einzelner SEAL den Überblick über die gesamte Operation oder wird Augenzeuge aller Vorgänge am Einsatzort. Bei von Clausewitz heißt das „Nebel des Krieges“. Manchmal wussten einzelne Einsatzkräfte nicht, was am anderen Ende des Grundstücks passierte, manchmal schon. Mit meiner Geschichte unternehme ich den Versuch, alle Fragmente zu einem stimmigen Bericht zusammenzusetzen. Dabei musste ich verschiedentlich Widersprüche zwischen Äußerungen einzelner Einsatzkräfte auflösen, um mir ein übergreifendes Bild davon zu machen, wer wo was gesehen hat und wann das passierte. Zu großen Teilen waren es die SEALs selbst, die dieses Buch geschrieben haben. Meine Geschichte basiert auf ihren Berichten, und so weit wie möglich habe ich sie in ihren Worten erzählt.
Bei meinen Recherchen bin ich weit herumgekommen. Seit dem Einsatz sind manche der Missionskommandeure öffentliche Persönlichkeiten geworden. In solchen Fällen habe ich die richtigen Namen der Betroffenen verwendet. Ansonsten habe ich mich nach Kräften bemüht, die Identität von Einsatzkräften und Analysten zu schützen und sie dabei als Menschen authentisch darzustellen.
Wie bei jedem Unterfangen im Zusammenhang mit Geheimdiensten oder Terrorismusbekämpfung gibt es einen „weißen Bereich“, der zugänglich und öffentlich ist, einen grauen, im Schatten gelegenen Bereich zwischen Öffentlichkeit und Nichtexistenz und dann noch einen ganz dunklen Bereich – das Reich der schwarzen Programme, der verdeckten Organisationen und der verborgenen Motive. In der Welt der schwarzen Programme gibt es keine Organisationen. Menschen haben keine Namen. Und Aktionen erfolgen im Schutz der Dunkelheit. Ich habe allen drei Farbschattierungen zu danken, weiß, schwarz und grau, und ich hoffe, der Leser sieht mir nach, wenn ich gelegentlich ein bisschen vage bleibe.
Auf halber Strecke fiel mir auf, dass die Informationen umso exakter wurden, je weiter ich mich vom politischen Zentrum in Washington entfernte. Dort zeigten sich die Politiker, die durch die Abendnachrichten tingelten und sich selbst zu „kühnen Entscheidungen“ gratulierten, plötzlich sprachlos, wenn ich sie aufsuchte. Es war beinahe so, als wollten sie ihre Indiskretionen – nachdem sie sich hinlänglich selbst beweihräuchert und die SEALs geoutet hatten – wiedergutmachen, indem sie sich nachträglich auf die Zunge bissen. Doch ich habe schon vor langer Zeit gelernt, mit Enttäuschungen umzugehen. Ganz besonders von politischer Seite.
Das Buch beschreibt, was sich in der Nacht vom 1. Mai 2011 abgespielt hat, und beruht auf den persönlichen Berichten von Angehörigen des SEAL-Teams 6.
Aus Gründen der operativen Sicherheit war es nötig, bestimmte Aspekte des Einsatzes in Abbottabad zu
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