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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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höchstens hundert Meter gegangen, als es Vollalarm gab. Was für Idioten! Die Zeit war für die meisten viel zu kurz, um ihre Habe zusammenzuraffen und den nächsten Luftschutzraum aufzusuchen. Zum Glück stand in seiner Wohnung immer der Koffer gepackt. Um diese Zeit müssten Luise und die Kinder daheim sein, und bis in den nächsten Schutzraum waren es nur ein paar Schritte. Aber was sollte er tun? Zurücklaufen zum Bahnhof und in den dortigen Bunker gehen? Nein, er rannte los, den Ku’damm hoch. Mit Sicherheit gab es in der Meineckestraße einen Luftschutzkeller, wenn dort schon Büros vom Reichssicherheitshauptamt waren. Außer Atem erreichte er die Abzweigung der Meineckestraße, rannte weiter, und tatsächlich zeigte ein dicker, weißer Pfeil mit den Buchstaben LSR den Weg zum Bunker. Er lag direkt neben dem Haus Nummer 10. Er stürzte die Treppe hinunter. Die Tür hätte bei Vollalarm längst geschlossen sein müssen, aber der Luftschutzwart spähte noch heraus, als wartete er auf jemanden. Als Daut an ihm vorbeiging, tippte sich der Mann an die Mütze:
    »Immer herinnspaziert in die jute Stube, Meesta!«
    Daut schlüpfte in den Raum, der größer war, als er es erwartet hatte, sicherlich maß er mehr als hundertfünfzig Quadratmeter. Daut blickte sich um. Der Raum war gut gefüllt. Er fand einen freien Platz neben einer Frau, die ihre dreijährige Tochter auf dem Schoß wippte.
    »Oh Jott, oh Jott. Diesma isset ernst, wa? Ick gloobe, diesma wern se uns in Dutt hauen. Oh Jott, oh Jott.«
    »Der hilft dir jetzt auch nicht mehr, also halt den Mund!«
    Daut erkannte die Stimme sofort, und er blickte sich um. Untersturmführer Schwarz saß in Uniform fast direkt neben der Tür. Verwunderlich, dass er ihn nicht sofort gesehen hatte.
    Daut stand auf und ging auf ihn zu. Als Schwarz ihn sah, grinste er und scheuchte die neben ihm sitzende Frau zur Seite.
    »Mach mal Platz für den Herrn Hauptsturmführer, Alte.«
    Die Frau stand auf und schaute Daut von der Seite an. Er konnte nicht erkennen, ob in ihren Augen Angst oder Abscheu aufblitzte.
    »Na, Herr Inspektor«, Daut registrierte, dass Schwarz jetzt seinen Polizeidienstgrad benutzte, »was treibt Sie in diese Gegend? Mal wieder auf der Suche nach Abenteuern?«
    Er kicherte in sich hinein, was Daut ignorierte. Stattdessen kam er sofort zur Sache.
    »Diese Marianne - oder wie auch immer ihr richtiger Name ist -, gehörte die auch zu Ihren Damen?«
    »Aber selbstverständlich, Daut! Oder glauben Sie, wir lassen Sie mal eben kostenlos ... – na, Sie wissen schon, was ich meine -, ohne dass wir mitbekommen, was genau passiert? Die Rothenburger werden nur von unseren Mädchen bedient. Sind ja auch alles fesche Damen, nicht wahr? Stramme Waden, glatte Schenkel, dicke ...« Er hielt die zu Schalen geformten Hände vor die Brust.
    »Muss das jetzt sein?«, mischte sich eine Frau gegenüber ein, die den Kopf ihres Sohnes an sich drückte, als müsse sie ihn beschützen. Schwarz winkte ab.
    »Alles echte deutsche Frauen. Bereit, sich aufzuopfern für den Führer. Fast alle jedenfalls.«
    Er schnaufte verächtlich.
    Das Dröhnen der Flugzeuge über ihnen wurde bedrohlich laut. Dann hörten sie es, das Pfeifen der zu Boden fliegenden Bomben. Keine drei Sekunden später ließ die erste Detonation den Keller erzittern. Die Menschen im Luftschutzraum stöhnten kollektiv auf. Eine Frau begann mit zitternder Stimme zu beten. Andere fielen ein. Ein Kind weinte leise.
    Daut drehte sich so, dass er Schwarz direkt ins Gesicht blickte.
    »Warum habt ihr Marianne getötet?«
    »Deshalb sind Sie also hier! Sie wollen wissen, was mit der kleinen Brünetten passiert ist. Haben Sie Mumm, Herr Inspektor?«
    Schwarz erhob sich und machte Anstalten, Richtung Ausgang zu gehen. Er schwankte, als könne er sich nur schwer auf den Beinen halten. Daut merkte erst jetzt, dass der Untersturmführer betrunken war. Mit fahriger Geste winkte er Daut zu.
    »Kommen Sie, Mann!«
    An der Tür baute er sich vor dem Luftschutzwart auf.
    »Schließ auf!«
    »Sind Sie wahnsinnig?«
    Der Luftschutzwart, höchstens einen Meter siebzig groß und mindestens sechzig Jahre alt, stellte sich vor die Tür und breitete in grotesker Weise die Arme aus, als wolle er mit seinem Leben verhindern, dass sie geöffnet wird. Schwarz schob ihn mit einem kräftigen Hieb zur Seite.
    »Tür auf, habe ich gesagt. Der Herr Hauptsturmführer und ich haben was zu erledigen. Geheime Reichssache!«
    Er lachte laut auf und stieß die

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