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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Lernen und verzweifelte Anwendung. Als Junge hatte er von einem Leben geträumt, in dem er sich trotz der Tatsache, dass er überhaupt kein Elementarwirken beherrschte, beweisen konnte – und jetzt würde sein Elementarwirken vielleicht alles sein, was ihn am Leben hielt.
    Das Leben, so überlegte Tavi, machte einem selten das zum Geschenk, womit man rechnete oder was man einplante.
    Aber ein Teil von ihm, der Teil, der keine besondere Neigung dazu hatte, vorsichtigere Gedankengänge einzuschlagen, zitterte vor Erregung. Wie oft hatte er auf dem Bernardhof unter den anderen Kindern gelitten, weil er selbst keine Elementare gehabt hatte? Wie viele Nächte hatte er in seiner Kindheit wachgelegen und versucht, sich durch schiere Willenskraft die Fähigkeit des Elementarwirkens zu verschaffen? Wie oft hatte er heimliche, stumme Tränen der Scham und der Verzweiflung vergossen?
    Und jetzt hatte er diese Fähigkeiten. Jetzt wusste er, wie er sie einsetzen musste. Im Grunde genommen.
    Obwohl er wusste, in welch großer Gefahr er schwebte, gab es einen Teil von ihm, der einfach den Kopf zurückwerfen und trotziges Triumphgeheul anstimmen wollte – an diese Erinnerungen und an die ganze Welt gerichtet. Ein Teil von ihm wollte auf der Stelle tanzen und war wild darauf erpicht, seine Kraft endlich unter Beweis zu stellen. Vor allem aber gab es einen Teil von ihm, der sich zum ersten Mal seinen Feinden gegenüber auf seine eigene Begabung und Kraft statt auf die eines anderen verlassen wollte. Obwohl er wusste, dass er auf die Probe gestellt wurde, wollte er die Prüfung.
    Er musste wissen, dass er bereit war, sich dem zu stellen, was auf ihn zukam.
    Also geschah es in argwöhnischer Anspannung und völligem Entzücken zugleich, dass Tavi nach den Elementaren griff, mit denen die Welt vor ihm übersät war.
    Beinahe sofort konnte Tavi die Elementargewirke spüren, die über und durch die großen Tore brodelten und die großen Bauwerke wie Lebewesen durchstreiften – elementargebundene Strukturen, die so mächtig wie Gargyle, aber zur Reglosigkeit verdammt waren, auf Starre und deren Aufrechterhaltung ausgerichtet. Tavi hatte so viel Hoffnung, diesen Elementaren zu befehlen, ihre Funktion aufzugeben, wie er Wasser hätte befehlen können, nicht länger nass zu sein.
    Stattdessen richtete er seine Gedanken nach unten, unter sie. Weit, weit unter der Erdoberfläche, unter der unermesslichen Masse der elementargewirkten Mauern und Türme von Riva, spürte er das fließende Wasser, das in die Felsen unter der Stadt eindrang, Jahr um Jahr langsam und stetig durch sie sickerte und sich in einen gewaltigen Speicher tief unten ergoss. Ursprünglich war er als Notfallzisterne für den einsamen kleinen Vorposten Riva gedacht gewesen, dann aber im Laufe der Jahre, als die Stadt gewachsen war, immer tiefer unter zusätzlichen Gebäuden versunken, bis er von allen außer Alera selbst vergessen worden war.
    Mittlerweile war die kleine Zisterne zu etwas weit Größerem geworden, als ihre Erbauer – wahrscheinlich Legionspioniere in den Tagen des ersten Gaius Primus – je beabsichtigt hatten.
    Tavi konzentrierte seinen Willen auf das lang vergessene Wasser und rief danach.
    Zugleich griff er nach der Erde unter seinen Füßen, der Krume und dem Staub, die vor den Stadtmauern lagen. Er tastete durch den Boden, spürte das Gras, das unter den Hufen seines Pferds spross. Er fühlte Klee und andere Kräuter und Blumen, die zu wachsen begannen und noch nicht von den Gärtnern von Riva vernichtet worden waren. Es gab eine Fülle verschiedener Pflanzen dort, und er kannte sie alle. Als Schäferlehrling, der nicht weit von Riva aufgewachsen war, war er mit so gut wie jeder Pflanze vertraut gemacht worden, die in der Gegend wuchs. Er hatte lernen müssen, welche die Schafe fressen konnten und welche er vermeiden sollte: Welche Pflanzen Beschwerden bei einem Mitglied der Herde auslösen konnten und welche benutzt werden konnten, um die Genesung des Tiers von Krankheit oder Verletzung zu fördern. Er kannte die Flora von Riva, wie es nur jemand konnte, der dort groß geworden war.
    Er griff nach all den Pflanzen und streckte sich in Gedanken nach ihnen aus, in ihre Samen, nummerierte und sortierte sie im Geiste. Er konzentrierte seinen Willen und flüsterte: » Wachst .«
    Und unter ihm begann das Gras zu sprießen und vor grünem Leben ins Kraut zu schießen, als ob die Erde einen lange angehaltenen Atemzug ausstieß. Halme wurden länger, um

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