Codex Alera 06: Der erste Fürst
verstärkt. Du kannst dir selbst ausrechnen, was das heißt. Hast du irgendeine Ahnung, was für eine Kraft es erfordern wird, sie niederzureißen?«
Der Princeps sann über Antillars Worte nach. Fidelias musterte sowohl Antillar als auch Varg, aber er glaubte nicht, dass auch nur einer von ihnen wahrnehmen konnte, wie nervös der junge Octavian war. Dann nickte der Princeps und sagte: »Ein beträchtliches Maß an Kraft.«
»Ich glaube nicht, dass wir darüber verfügen«, sagte Max.
»Und ich glaube, dass du dich irrst, Max«, sagte Octavian ruhig.
Die Augen der Botschafterin verengten sich vor Vorfreude und glühten geradezu in grünem Feuer, und ihr Lächeln ließ Fidelias irgendwie eher die Spitzen ihrer Eckzähne bemerken als alle anderen.
Der Princeps grinste sie seinerseits auf beinahe verstörend jungenhafte Art an und sagte: »Lasst es uns herausfinden.«
32
Tavi fragte sich, ob er im Begriff war, einen sehr großen, sehr demütigenden und womöglich tödlichen Fehler zu begehen.
Er runzelte die Stirn und sprach in Gedanken in festem Ton mit jenem zweifelnden Teil von sich: Wenn du keine großen Risiken hättest eingehen wollen, hättest du gar nicht erst damit anfangen sollen herauszuschreien, wer dein Vater war. Du hättest dich still durchs Reich schleichen und bei den Marat verschwinden können, wenn du gewollt hättest. Du hast dich entschlossen, um dein Geburtsrecht zu kämpfen. Nun – und jetzt ist es an der Zeit zu kämpfen. Es ist an der Zeit festzustellen, ob du tun kannst, was du tun musst. Also hör auf herumzujammern und leg dieses Tor nieder.
»Kriegsführer Varg wird stellvertretend den Befehl führen, während ich mich ums Tor kümmere«, sagte Tavi.
Der Kommandostab der Legion war am Vortag über Tavis Absichten in Kenntnis gesetzt worden. Sie hatten zu dem Zeitpunkt keinen großen Anklang gefunden. Heute allerdings salutierten die Männer einfach. Gut. Vargs Rolle im Eröffnungsscharmützel der Schlacht (die wiederum selbst im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, nur ein Scharmützel war), hatte sie von den Fähigkeiten des Cane überzeugt.
»Tribun Antillus!«, rief Tavi.
Nachdem mehrere Signale getauscht worden waren, kam Crassus zu Boden geschwebt und landete neben Tavis Pferd. Die beiden Männer salutierten, und Tavi sagte: »Ich rücke mit der Ersten Kohorte und den Schlachtkrähen vor. Ich will, dass du und die Pisces über meinen Schultern wacht.«
»Zu Befehl, Hauptmann«, sagte Crassus. »Wir werden da sein.«
»Ab mit dir«, sagte Tavi.
Crassus hob ab, und für Tavi blieb nichts mehr zu tun, als ein Verteidigungsbollwerk abzureißen, das jahrzehnte- wenn nicht gar jahrhundertelang darauf vorbereitet worden war, genau dem zu widerstehen, was er gleich versuchen würde. Er warf einen Blick über die Schulter zu Fidelias. Valiar Marcus hätte gelassen mit harter, nüchterner Miene abgewartet. Obwohl seine Gesichtszüge sich überhaupt nicht verändert hatten, konnte Tavi die Unterschiede in dem Mann spüren, seine beweglichere, irgendwie löwenhaftere Natur. Auf jeden flüchtigen Beobachter hätte Fidelias genau wie Valiar Marcus gewirkt. Aber Tavi spürte, dass der Mann sich irgendwie seiner Furcht bewusst war.
Seiner völlig vernünftigen Furcht. Seiner sehr ratsamen Furcht. Seiner sogar durchaus reifen und weisen Furcht.
Halt den Mund und geh an die Arbeit , dachte er mit Nachdruck.
Acteon, der langbeinige schwarze Hengst, auf dem Tavi ritt, warf den Kopf hin und her und schüttelte die Mähne. Das Pferd gehörte schon ihm und befand sich in der Obhut der ersten aleranischen Legion, seit er eben erst gezwungen gewesen war, den Befehl zu übernehmen – ein Geschenk von Hashat, der Maratclanführerin der Pferde. Der Marathengst war beweglicher und ausdauernder als jedes aleranische Pferd, das Tavi je gesehen hatte, aber er war kein übernatürliches Wesen.
Er würde Tavi vor nichts retten, worum er sich nicht selbst kümmerte.
»Bannerträger«, sagte Tavi leise. »Lass uns losreiten.«
Hufschläge näherten sich neben ihm, und Tavi sah zur Seite und erblickte die Apfelschimmelstute, auf der Kitai ritt. Sein Blick ging hinauf zu der Reiterin, und er lächelte Kitai schwach an, die ihr Legionskettenhemd trug. Es bot nicht denselben Schutz wie die schwereren Stahlplatten seiner eigenen Lorica, aber obwohl Kitai mehr als stark genug war, um die schwerere Rüstung zu tragen, verschmähte sie sie, da sie die größere Geschmeidigkeit des Kettengeflechts
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