COLLECTION BACCARA Band 0259
Luke sprach sie erst an, als sie auf der Schnellstraße waren. „Wie ist es gelaufen?“
„Okay.“
Luke warf ihr einen raschen Seitenblick zu und entdeckte die Tränen. Bei der nächsten Gelegenheit lenkte er den Wagen an den Straßenrand und hielt an. „Was ist passiert?“
„Nichts.“ Sie schluckte, dann fing sie an zu schluchzen.
Er drückte sie an sich und streichelte ihren Rücken. Offenbar hatte er ihr da keinen großen Dienst erwiesen. Warum hatte er sich auch unbedingt einmischen müssen?
„Wenn ich Tom zu fassen bekomme!“, stieß er hervor.
„Nein, Luke, nicht – ich bin froh, dass ich dort war.“
„Irgendetwas muss schiefgelaufen sein“, beharrte er. „Hat dich jemand gekränkt?“
„Nein.“ Rebecca zog sich ein Stück aus seiner Umarmung zurück und sah ihn an. „Sie waren alle sehr höflich, aber sie haben nicht viel gesagt.“
„Na ja, mit offenen Armen scheinen sie dich nicht gerade empfangen zu haben.“
„Das war auch nicht zu erwarten. Ich bin schließlich eine Fremde für sie.“ Jetzt lächelte sie traurig. „Ich bin nicht der Typ, den man mit offenen Armen empfängt.“
„Warum weinst du dann?“, wollte Luke wissen.
„Vor Glück …“
„Vor Glück?“
Sie hielt ihm ein Foto hin, den Schnappschuss eines jungen Mannes mit langen dunklen Haaren, lässig in Jeans und T-Shirt gekleidet. „Das ist mein Vater. Clark Pryor, kurz bevor er meine Mutter kennenlernte.“ Ihre Stimme zitterte leicht, so berührt war sie. „Seine Mutter – meine Großmutter – hat es mir gegeben. Ich weiß, dass ich nicht dorthin gehöre – noch nicht. Aber es ist eine Chance.“ Sie schmiegte sich in Lukes Arme, streichelte versonnen seine Wange. „Das habe ich nur dir zu verdanken.“
Alles hatte seine Grenzen. Das hatte Luke vor langer Zeit gelernt. Sanft, aber entschlossen schob er Rebecca von sich und startete den Motor.
„Luke?“
„Es wird Zeit. Ich muss noch arbeiten.“ Er drückte das Gaspedal durch.
„Was ist los, Luke?“, fragte sie leise, aber er wusste, dass Rebecca nicht lockerlassen würde.
„Du darfst dir nicht zu viel von diesen Leuten erwarten“, erwiderte er.
„Ich möchte einfach nur akzeptiert werden, irgendwann. Das will ich – eine Familie.“
„Genau das meine ich ja“, versetzte Luke. „Du bekommst feuchte Augen und wirst sentimental, weil du dir einbildest, du hättest endlich eine Familie gefunden. Nur weil ihr dasselbe Blut habt. Aber was bedeutet das schon?“
Sie sah ihn lange an, und er wünschte, er hätte den Mund gehalten.
„Es hat mit Polly zu tun, oder?“, fragte Rebecca schließlich. „Mit deiner Cousine.“ Sie war sich völlig sicher. „Ihr wart einander sehr nahe, vermute ich.“
„Mein Onkel brauchte jemanden, der sich auf dem Land auskannte und die Rancher überreden konnte, ihr Land zu verkaufen. Das sollte mein Vater sein. Also zogen wir nach Denver. Ich habe es vom ersten Tag an gehasst.“
„Und das hat sich nie geändert?“
„Nein. Doch meine Eltern waren begeistert. Immer wenn mein Onkel ein gutes Geschäft abgeschlossen hatte, kauften sie ein: Luxusklamotten, den modernsten Fernseher, ein noch größeres Auto. Und wenn das Geschäft besonders erfolgreich war, leisteten sie sich ein noch größeres Haus. Ich war nie lange genug an einer Schule, um wirkliche Freundschaften zu schließen. Aber Polly …“ Nach kurzem Zögern fuhr er fort: „Sie war ein Jahr jünger als ich.“
„Und sie hat in dir die Liebe zur Musik geweckt.“
„Sie teilte einfach alles mit mir, was ihr wichtig war. Und sie hörte mir zu, wenn ich von Far Hills, von der Rancharbeit erzählte. Sie machte sich nichts aus all diesem Luxus.“
„Was ist passiert, Luke?“
„Wir wurden älter, ich ging aufs College. Eines Tages erhielt ich einen Anruf. Die Familie müsse jetzt zusammenhalten, damit das Geschäft nicht leidet! Polly hatte sich umgebracht, und sie interessierten sich nur für den Ruf der Firma.“
„Oh Luke.“ Rebecca legte ihm die Hand auf den Arm, und er spürte ihre Wärme, die seinen ganzen Körper erfasste.
„Immer zählte nur, was irgendjemand denken könnte. Um Polly kümmerte sich niemand. Das hat sie schließlich das Leben gekostet. Sie wussten, dass sie diese … diese Gedanken hatte, aber sie haben nichts unternommen, um ihr zu helfen. Nach außen hin wirkte alles perfekt, die makellose Fassade hielten sie eisern aufrecht. Eine depressive Tochter passte da nicht ins Bild. Und so taten sie es als
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