Collector’s Pack
Gericht der Papst als Staatsoberhaupt des Vatikans für diesen Mord zur Rechenschaft gezogen werden kann. Die vatikanische Verfassung sieht einen solchen Fall gar nicht vor. Ein Sprecher des Internationale Gerichtshofs in Den Haag erklärte bereits, dass seine Behörde in einem solchen Fall zuständig sei, was von Staatsrechtlern jedoch bezweifelt wird. Wie Mario Casarelli, Staatsekretär im italienischen Justizministerium, unserer Redaktion am Telefon erklärte, ist die Rechtslage mehr als unklar. Demnach könne der Papst, falls er nicht zurücktrete wie sein Vorgänger Johannes Paul III., sogar bei einer Mordanklage und anschließender Verurteilung sein Amt offiziell weiterführen. Für die katholische Kirche wäre das der schlimmste anzunehmende Albtraum mit Auswirkungen auf die gesamte Weltpolitik. Ob und in welcher Form die katholische Kirche in diesem Fall weiterexistieren wird, mag zur Stunde niemand beantworten. So wie es sich im Augenblick jedoch darstellt, hat sich damit heute die letzte Prophezeiung des heiligen Malachias erfüllt.
Die katholische Kirche steht am Abgrund.
EPILOG
VIER TAGE ZUVOR
13. Juli 2011, Annapurnagebiet, Himalaja
D ie Welt hatte einen Riss, er hatte es immer gewusst. Ein feiner Haarriss im Gefüge von Raum und Zeit zunächst nur, unüberwindbar damals schon für einen fünfjährigen Jungen. Doch nun war dieser Riss vollends aufgeplatzt wie ein vergessenes Aneurysma und hatte die Welt verschluckt. Was übrig blieb war nur Licht und Stille.
Peter sah noch immer das Licht, den Blitz der Explosion, der sich träge und schier unendlich langsam in den Raum hineinblähte. Ein strahlender blauer Punkt an der Stelle, wo der Krumen des Roten Quecksilbers lag, wie eingefroren im Moment der Explosion.
Die Welt hielt den Atem an. Nein, die Welt war eingefroren. Die Welt war tot.
Sie waren tot.
Und doch hörte er seinen Bruder atmen, dicht vor seinem Gesicht wie ein Spiegelbild. Sie knieten immer noch mit ausgestreckten Armen voreinander, ihre Hände ineinander verhakt. Peter konnte die beiden Amulette spüren, die sie mit ihren Händen festhielten. Als er den Blick senkte, sah er die Metallkiste mit den Amuletten auf dem Boden zwischen ihnen. Es hatte sich nichts verändert seit den letzten Sekunden. Und doch hatte sich alles verändert.
»Es ist so still«, sagte Nikolas. »Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht.« Peter löste seine Hände vorsichtig aus denen seines Bruders. Einen Moment lang fürchtete er, dass sich der Riss sofort wieder zusammenfügen und die Explosion sie einholen und zerfetzen würde. Aber nichts geschah. Peter richtete sich auf und sah sich um. Der Raum war noch der gleiche. Ihre Klone lagen regungslos in ihren Kokons. Das Einzige, was ihm auffiel, waren die unnatürliche Stille und der gleißende blaue Punkt in der Mitte des Stollens, der wie eine winzige Sonne in der Sekunde ihres Entstehens im Raum schwebte.
»Ich seh nach, was da draußen los ist«, sagte Nikolas und lief zurück zur Schleuse.
Peter trat auf die Sonne zu und merkte, dass sie Wärme abstrahlte. Nicht unangenehm. Als er noch näher trat, spürte er, dass sie in ihrem Kern zu heiß war, um sie anzufassen. Das Licht veränderte sich, schien sich kaum merkbar auszudehnen. Peter beobachtete die kleine blaue Sonne eine Weile, zählte die Sekunden ab und stellte fest, dass sie innerhalb einer Minute etwa fünf Zentimeter größer wurde. Für Licht milliardenfach zu langsam. Als Peter sich umdrehte, sah er Nikolas zurückkommen. Er rief ihm etwas zu, aber Peter hörte keinen einzigen Laut. Der Schall erreichte ihn offenbar nicht. Auch Nikolas schien ihn nicht zu hören. Die Stille war wieder vollkommen. Erst als sie wieder dicht voreinanderstanden, konnten sie sich verstehen.
»Sie sind immer noch da draußen«, sagte Nikolas. »Aber wie in der Bewegung eingefroren.«
Peter hatte es geahnt.
»Für was hältst du das alles? Sind wir tot oder nicht?«
Peter versuchte es mit »Ockhams Rasiermesser«, einem Sparsamkeitsprinzip der wissenschaftlichen Methodik: Von allen möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts ist im Zweifel die einfachste immer vorzuziehen.
Auch wenn sie noch so wahnsinnig klingt.
»Wir sind nicht tot, weil die Zeit angehalten hat«, sagte er so nüchtern wie möglich.
Nicht angehalten. Abgesoffen ist sie, verreckt wie eine alte Schrottkarre, die viel zu lange durchhalten musste.
Nikolas wirkte nicht einmal überrascht.
»Beziehungsweise nicht ganz«, fügte Peter
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