Collector’s Pack

hatte der Papst die Bühne betreten, nahm Kelly ihm das Pluviale und den Bischofsstab ab. Während der Knabenchor das Einzugslied sang, wandte Petrus II. sich dem Altar zu, machte den Kniefall, küsste den Altar und schwenkte das Weihrauchgefäß. Dann schlug er das Kreuzzeichen und begrüßte die versammelte Gemeinde.
    »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei allezeit mit Euch.«
    »Und mit deinem Geiste« , murmelten die Hunderttausenden wie aus einem Mund.
    »Der allmächtige Gott erbarme sich unser«, sprach Petrus II. die Bußformel. »Er erlasse uns unsere Sünden und führe uns zum ewigen Leben.«
    »Amen . «
    Petrus II. hatte in seinem Leben als Priester und Exorzist Hunderte von Messen gelesen. Er kannte die Handgriffe und Formeln auswendig, ohne dass sie ihm je langweilig oder sinnentleert vorgekommen waren. Die Messliturgie war etwas Vertrautes, etwas, zu dem man immer wieder gerne zurückkehrte. Heimat. Petrus II. sprach das Kyrie Eleison, die Lobpreisung und das Tagesgebet und wurde allmählich ganz ruhig. Er war bereit zu tun, was er tun musste. Während der beiden Lesungen sah er Kelly aus dem Augenwinkel am Rand des Altarbereichs, der ihn ebenfalls beobachtete. Nach dem Glaubensbekenntnis und den Fürbitten reichte Kelly ihm die Gaben, Hostien und Wein, Wachs und Öl. Er stand jetzt ganz nah neben ihm.
    Petrus II. wartete noch bis zur Wandlung.
    »Geheimnis des Glaubens: Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Ewigkeit.«
    Dann erst griff Petrus II. in die Tasche unter dem Camice . Er musste dazu sein ganzes Messgewand hochraffen, als ob er sich gleich hier vor dem Altar erleichtern wolle. Petrus II. hörte das irritierte Raunen der Menge und sah, wie Kelly ihn misstrauisch beobachtete. Er schien nicht zu begreifen, was vorging. Auch nicht, als der Papst die Waffe aus der Hosentasche zog, die er Kelly auf Oak Island abgenommen hatte. Die vereinzelten Schreie aus der Menge hinter sich hörte er bereits nur noch wie aus weiter Ferne. Er richtete die Pistole auf Kelly und schoss ihm aus nächster Nähe in den Kopf. Einmal, zweimal, dreimal. Noch während Edward Kelly zusammenbrach und sein Gehirn sich über die ganze Bühne verteilte, schoss Petrus II. weiter. Er feuerte das ganze Magazin der HK45 auf Kelly ab, in der Gewissheit, dass er damit ein verfluchtes Leben nach Jahrhunderten endlich und für alle Zeiten auslöschte.
    Petrus II. nahm nichts mehr um sich herum wahr, weder die Diakone, Ministranten und Chorknaben, die in Panik wegstürzten, noch die Bewegung aus Schock und Bestürzung, die wie eine gewaltige Welle durch die Menge hinter ihm rollte. Er hörte auch nicht den Aufschrei aus Hunderttausenden von Kehlen. Er starrte nur auf den toten Kelly und hörte das scharfe Klicken des Abzugs, nachdem das Magazin leer war. Ruhig und befreit legte er die Heckler & Koch auf dem Altar ab und wandte sich wieder der Menge zu, die unter ihm in panischem Aufruhr toste. Er wollte etwas sagen. Aber in diesem Moment stürzten zwei Schweizergardisten von der Seite auf ihn zu, warfen sich auf ihn und drückten ihn zu Boden.

 
    Courier Online, 17. Mai 2011
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    PAPST PETRUS II. ERSCHIESST PRIVATSEKRETÄR
    Autor: Henning Veith
    Rom. Bei einer Messe auf dem Petersplatz ist es heute kurz nach 10 Uhr zu einem Blutbad gekommen. Nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten erschoss Papst Petrus II. kurz nach der Wandlung vor den Augen von Hunderttausenden von Gläubigen seinen kürzlich ernannten Privatsekretär Edward Kelly. Die Hintergründe dieser Bluttat, die vom italienischen Fernsehen live übertragen wurde, sind bislang noch völlig unklar. Unbestätigten Gerüchten zufolge wurde kurz nach dem Mord in einem Gewölbe unter dem Vatikan außerdem die Leiche eines offenbar älteren Mannes gefunden. Die Kommandantur der Schweizergarde und die vatikanische Gendarmerie haben dies jedoch offiziell noch nicht bestätigt und hüllen sich auch zur Identität dieses mutmaßlichen zweiten Opfers bislang in Schweigen. Ebenso zu den Ermittlungen im Fall des verschwundenen Vorgängers von Edward Kelly, Monsignore Cardona. Fest steht zur Stunde nur, dass Papst Petrus II., das Oberhaupt der katholischen Kirche, einen Menschen getötet hat.
    Das wirft die Frage auf, in welcher Form und vor welchem