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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Nebenstraßen fuhr er an Lancaster vorbei zum Waisenhaus. Er hielt vor dem Hoftor, band das Leitpferd an und ging auf das Haus zu. Doch mitten auf dem Weg fiel ihm ein, daß das kostbare Gewehr unbewacht im Wagen lag. Er holte es, betrat das Haus und schrie: »Elly! Elly Zahm! Komm herunter.«
    Die Dämmerung war noch nicht einmal angebrochen, und dennoch war das Mädchen schon bei der Arbeit.
    Sie kam mit nassen Händen, erhitztem Gesicht und strähnigem, zerzaustem Haar. Sobald sie Levi sah, wußte sie, daß etwas Großes bevorstand, und sie war nicht im geringsten überrascht, als er sagte: »Pack deine Sachen. Wir gehen nach dem Westen.«
    Elly brauchte nicht länger als drei Sekunden, um zu erkennen, daß es ihre Bestimmung war, mit diesem Mann zu gehen, mit ihm, seinem Gewehr, dem Wagen und den Pferden. Sie hatte keine Vorstellung, was sie erwartete. Aber sie wußte, daß es für sie keine annehmbare Alternative gab. Sie lief auf ihr Zimmer und packte die wenigen Habseligkeiten.
    Ein Mädchen kreischte: »Er holt Elly Zahm... mit einem Gewehr!«
    Die Vorsteherin eilte im Morgenmantel zur Eingangstür und sah mit einem Blick, was los war. »Elly, komm sofort zurück!« Ihre Stimme klang gebieterisch.
    »Ich komme nie wieder«, rief Elly störrisch.
    »Dieser Mann ist ein Untier!«
    »Ihr könnt mich nicht zurückhalten«, erwiderte Elly, klemmte sich ihr Sonntagskleid unter den Arm und lief zum Conestoga.
    »Soll ich die Polizei holen?« fragte eines der Mädchen. »Nein«, fuhr die Vorsteherin sie an. »Er würde uns alle umbringen. Soll sie doch mit ihm gehen! Sie ist ja nur eine Hure, genau wie ihre Mutter.«
    Und dies wären die einzigen Segenswünsche gewesen, die Elly beim Verlassen des Waisenhauses begleitet hätten, wenn sich nicht plötzlich ein hochgewachsenes hübsches Mädchen aus der Gruppe der Gaffer gelöst hätte und zu Elly gelaufen wäre. Sie drückte ihr einen kleinen Beutel in die Hand, in dem sich mühsam gesparte Münzen befanden.
    Die Vorsteherin stieß einen Schrei aus. »Laura Lou Baker, komm sofort her! Du bist ja nicht besser als sie!«
    Das blonde Mädchen beachtete die Vorsteherin nicht,
    umarmte Elly und flüsterte ihr zu: »Du machst das, was wir alle gern täten.« Als Elly ihr das Geld zurückgeben wollte, küßte Laura Lou sie auf die Wange und sagte:    »Erinnere dich an unsere
    Gespräche! Eine Ehefrau sollte immer etwas eigenes Geld haben.«
    Elly Zahm ging mit festen Schritten durch das Tor des Waisenhauses und stieg in den Conestoga. Levi ließ die Peitsche knallen und fuhr zum letzten Mal aus Lancaster hinaus.
    Bis Columbia waren es nur zwölf Meilen. Dort würden sie auf der berühmten Brücke den mächtigen Susquehanna überqueren. Da die sechs Grauschimmel jedoch weder an den Wagen noch aneinander gewöhnt waren, kam Levi nur langsam voran. Erst bei Einbruch der Nacht erreichten sie den Fluß. Doch der Schlagbaum war schon unten. Sie mußten also notgedrungen auf dem östlichen Ufer übernachten. Als die Sterne am Himmel auftauchten, stand Elly vor der ersten Schwierigkeit auf ihrem langen Weg gen Westen.
    »Wir können so lange nicht zusammen im Wagen schlafen, als wir nicht verheiratet sind«, sagte sie in entschiedenem Ton. »Ich werde mich unter den Baum da drüben legen.« Sie nahm eine Decke und machte Anstalten zu gehen.
    Levi wollte das nicht zulassen, weil er fand, daß er als Gentleman ihr den Wagen überlassen mußte. Elly hatte jedoch ein vernünftiges Gegenargument. »Du mußt auf den Wagen aufpassen. All unsere Habe ist darin.« Also schlief sie unter einem Baum neben dem Susquehanna.
    Am Morgen sagte Levi: »Was hältst du davon, wenn wir uns auf der anderen Seite des Flusses einen Pfarrer suchen?«
    »Sehr viel. Ich will schließlich keine Bastarde in die Welt setzen.«
    Levi spannte die Pferde an und ordnete sich in die wartende Schlange vor dem Schlagbaum ein. Der Mann im Wagen vor ihnen war ein Deutscher, der nach Illinois wollte. Während sie warteten, kamen sie ins Gespräch. »In unseren Schulbüchern gab es Bilder von dieser Brücke«, sagte der Fremde und deutete auf das technische Meisterwerk. »In ihrer Art ist sie die längste Brücke der Welt.«
    Der Brückenzoll für einen Wagen mit sechs Pferden betrug einen Dollar. Elly fand das sehr teuer, doch der Deutsche rief über die Schulter zurück: »Sogar zwei Dollar wären nicht zuviel.« Endlich schwenkten sie auf die überdachte Brücke mit den beiden getrennten Wagenspuren und einer

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