Colorado Saga
ihm das Geld hin, das er sich von seinem Lohn zusammengespart hatte.
»Aber Glocken hat er keine.«
»Ich brauche keine Glocken.«
Auf diese Weise wurde Levi Zendt Besitzer eines Conestoga, der ein Vierteljahrhundert alt war. Er war von einem der besten Wagenmacher der Gegend gebaut und auf der Frachtroute nach Philadelphia immer gut in Schuß gehalten worden. Er hatte keine geborstenen Bretter, der Werkzeugkasten und der Wagenheber waren noch zu gebrauchen. Die vierundzwanzig Schellen waren zwar weg, aber da, wo Levi hinwollte, konnte er Glocken sowieso nicht gebrauchen.
Für so einen schweren Wagen brauchte man sechs Pferde. Levi hatte jedoch nur zwei kräftige Grauschimmel. In der folgenden Woche kaufte er von einem Farmer in Hollinger ein weiteres Paar Grauschimmel. Der Farmer sollte sie so lange versorgen, bis Levi sie abholen würde.
Nun hatte Levi vier Pferde und wußte genau, von wo er auch noch das letzte Paar herkriegen würde. Er würde sie von seinem Bruder Mahlon leihweise nehmen.
Für die Reise in den Westen oder sonstwohin fehlte ihm noch etwas Lebenswichtiges: ein Gewehr. Für einen Lancaster-Farmer war es schon undenkbar, ohne Gewehr über sein eigenes Land zu fahren. Die sogenannte Kentucky-Büchse war in Wirklichkeit eine Büchse aus Lancaster, von den Büchsenmachern dieser Stadt hergestellt und mit den Jahren vervollkommnet. Die Büchsenmacher in Lancaster stellten seit jeher die vorzüglichsten Jagdgewehre Amerikas her, und ihre besten Exemplare konnten mit denen aus Europa sehr wohl konkurrieren.
Levi hatte nie ein eigenes Gewehr besessen. Er war ein guter Schütze, hatte jedoch immer nur die Gewehre seiner Brüder benutzt. Nun stand er vor einem Dilemma. Er hatte genügend Geld, um ein Gewehr zu kaufen. Aber konnte er, der Ausgestoßene, es wagen, einfach in das Geschäft von Büchsenmacher Gupf oder zu den Gebrüdern Dreppard zu gehen und mit diesen frommen Kirchgängern einen Handel abzuschließen? Er überlegte sich die verschiedensten Kriegslisten, von denen jedoch keine durchführbar zu sein schien. Er war wirklich ein Ausgestoßener.
Dann fiel ihm Melchior Fordney ein, der einen sehr guten Ruf als Büchsenmacher hatte, sich jedoch das Wohlwollen der anständigen Bürger Lancasters verscherzt hatte, weil er sich bis zum heutigen Tag geweigert hatte, seine Haushälterin, Mrs. Tripple, zu heiraten. Allgemein wurde angenommen, daß die beiden in fleischlicher Sünde miteinander lebten, obwohl der Segen der Kirche fehlte. Fordney war ein eigenwilliger Mann, und wenn es irgend jemanden in Lancaster gab, der Levi ein Gewehr verkaufen würde, so er.
Eine Glocke klingelte, als er die Tür öffnete, und eine gutaussehende Frau in schwarzem Kleid und weißer Schürze, doch ohne weiße Haube, erschien: »Mr. Fordney? Er arbeitet hinten. Ich bin Mrs. Tripple.«
»Ich möchte ein Gewehr kaufen«, sagte Levi in herausforderndem Ton.
Mrs. Tripple war an die rauhe Art der jungen Farmburschen gewöhnt und sagte leichthin: »Warten Sie einen Moment, dann hole ich den Meister.«
Kurz darauf erschien ein muskulöser Mann mit breiten Schultern und kantigem Gesicht. »Was gibt's?«
»Ich möchte ein gutes Gewehr.« »Wieviel wollen Sie zahlen?«
»Ich kann bis zwölf Dollar gehen... aber es muß gut sein.«
»Für den Preis kriegen Sie was Anständiges.« Er schob zwei Gewehre beiseite, die auf der Werkbank lagen, und sagte: »Die beiden hier kosten je fünf Dollar, aber die werden Ihnen nicht gefallen.«
Levi wog eins der beiden in der Hand. Es war nicht gut ausbalanciert, zu schwer am Schaft. »Das hier gefällt mir nicht.«
»Sie haben es gemerkt?« Fordney lachte. »Zu schweres Holz. Da drüben liegt ein gutes Gewehr, allerdings kommt es auf achtzehn.«
»Zuviel«, sagte Levi. Im Gewehrständer entdeckte er eine ältere Büchse mit schön gemasertem Ahornschaft, glänzenden Messingbeschlägen, einem achtkantigen, bläulich schimmernden Lauf und einem Ladestock aus abgegriffenem Hickoryholz. Es war eine schöne Waffe, sozusagen der Inbegriff der LancasterBüchse. Sie hatte jedoch noch den alten Steinschloßmechanismus.
»Kann ich das Gewehr mal sehen?«
»Das ist eine ganz spezielle Waffe«, sagte Fordney.
»Die kostet wohl sehr viel?«
»Nein, ich würde sie Ihnen für zwölf Dollar geben. Aber sie hat noch das alte Steinschloß. Diese Büchse hab' ich vor neunzehn Jahren für jemanden angefertigt.« Er holte sie herunter und zeigte Levi die Inschrift, die oben am Lauf eingeätzt war:
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