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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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ich müsse mich gedulden, der Herr
Staatssekretär sei derzeit noch in einem Meeting. Aber sie würde ihn umgehend über
mein Anliegen informieren. Beate Seeligmann, meinen Dienstausweis noch immer in
der Hand, verschwindet durch eine gepolsterte Doppeltür.

105
    Mader hält ihren Dienstausweis direkt vor das
Objektiv der Torkamera. Ein Summen, sie drückt die Tür auf und geht über die mit
Kies ausgelegte Auffahrt auf das Haus zu. Links und rechts exakt gestutzte Zypressen
in Pyramidenform. Eine Frau kommt ihr entgegen. Die Haare kurz und naturblond, weit
schwingendes, rot-weiß gesprenkeltes Sommerkleid. Die Ähnlichkeit mit dem Foto
aus der Führerscheindatei ist unverkennbar. Sie streckt Mader die Hand schon
einige Schritte vorher entgegen: „Die Polizei?“ Kein Argwohn, freundliche
Neugier.
    Mader stellt sich vor, Eva Starnhagen bittet
sie, ihr zu folgen. Kein Garten, ein Park. Mader schätzt das Grundstück auf
3.000 Quadratmeter, am hinteren Ende ein Swimmingpool, an den Rändern wuchert wild
und bunt eine Sommerwiese. Die Gartenmitte ziert eine gut fünfzehn Meter hohe
Eiche. Darunter im Schatten Teaksessel.
    „Ja, als ich es das erste Mal sah, war ich auch
fasziniert. Ein bisschen wie im Märchen. Kommen Sie, ich habe Tee, wenn Sie
mögen.“ Eva Starnhagen nimmt zwei Tassen aus einem Korb und schenkt ein.
    Sie sitzen sich gegenüber. Mader nippt an ihrer
Tasse.
    „Wir haben ein paar Fragen. Es geht um Ihren
Mann.“
    Eva Starnhagen wirkt amüsiert: „Sie meinen also
den Herrn, der mir diesen kleinen Traum vom Glück finanziert?“ Dann streift sie
ihre Sandalen ab und nimmt die klassische Yoga-Haltung ein.
    „Wenn Sie es so ausdrücken wollen.“
    „Ja, will ich.“ Ein offenes Lächeln, mehr gab
es zu diesem Thema nicht zu sagen.
    „Also, was hat oder besser, soll er angestellt
haben?“
    Mader lehnt sich zurück, erläuterte, dass man
auf ihn im Zusammenhang mit einem Mordfall gestoßen sei. Zufällig. Doch darum
gehe es nicht, nicht um den Mord. Umständlich nimmt sie einen braunen Pappordner
aus ihrer Tasche, legt ihn auf den Tisch, löst die Klappe und zieht ein Foto
hervor: der Unbekannte mit dem Mädchen.
    Mader legt das Foto auf den Tisch, Eva
Starnhagen beugt sich vor. Fünf, zehn Sekunden, als müsse sie sich jede
Einzelheit einprägen. Dann richtet sie sich wieder auf, alle Fröhlichkeit ist
aus ihrem Gesicht gewichen, der Mund ein schmaler Strich. Sie zieht die
Unterlippe ein. Mader erwartet Geschrei, einen Wutausbruch. Doch Eva Starnhagen
bleibt stumm.
    „Haben Sie dieses Mädchen schon einmal
gesehen?“
    Das „Nein“ kommt kraftlos, müde tief aus ihrem
Innern. Sie weicht jedem Blickkontakt aus, als würde sie sich schämen.
    „Uns liegt die Aussage einer Frau vor, die
behauptet, ihr Mann hätte dieses Mädchen vergewaltigt und geschlagen.“
    Jetzt schießt sie in die Höhe, hält sich die
Hand vor den Mund und stolpert einige Schritte durch den Garten, stützt die
Hände auf die Knie und würgt ihren Mageninhalt auf den sorgsam gestutzten Rasen.
    Mader legt ihr eine Hand auf die Schulter. Eva
Starnhagen richtet sich auf, Tränen in den Augen. Mit dem Handrücken fährt sie
sich über den Mund.
    „Ich - lassen Sie mir bitte ein paar Minuten, bitte.
Etwas Wasser.“, dann geht sie langsam, immer wieder tief Luft holend, zum Haus.
    Ruft sie ihren Mann an? Mader ist sich sicher: alles,
nur das nicht.

106
    Starnhagen, die Ärmel aufgekrempelt, die oberen
drei Hemdknöpfe offen, spaziert durch sein riesiges Büro und telefoniert. Um
die schwarze Sitzgarnitur, vorbei an dem Regal mit Stützen aus gebürstetem Stahl
und Einlegebrettern aus Eichenholz, das einst, als Firstbalken ein bretonisches
Bauernhaus krönte. Sonderanfertigung. Beate Seeligmann wartet, bis er seinen
Satz beendet und nickend zuhört. Sie hält ihm den Dienstausweis entgegen. Ohne
ein Wort gibt sie zu verstehen, dass Gallert im Vorzimmer wartet und es ernst
meint.
    Starnhagen unterbricht abrupt seine Wanderung.
    „Moment, muss Dich zurückrufen. Der Minister
auf Leitung eins.“
    Er reißt das Head-Set herunter: „Ich bin nicht
da.“
    „Zu spät.“
    Blöde Kuh!
    „Sagen Sie ihm fünf, nein, zehn Minuten. Der
Minister.“
    Die Sekretärin verschwindet, Starnhagen greift
nach dem Handy. Kurzwahltaste. Er flüstert: „Da steht ein Polizist in meinem
Vorzimmer.“
    „Wer?“
    „Heißt Gallert oder so.“
    „Gallert? Ich verstehe nicht –?“
    „In - meinem – Vorzimmer. Ist das so schwer

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