Coltan
Lily
statt.
Schneiderhannes, Karla, Hanschke, Mader, Schenkendorff
und ich.
Wir saßen in einer dämmrigen Kapelle mit einem
glatt polierten Jesus an der gekalkten Wand. Aus den Lautsprechern floss Händels
Requiem.
Ich wollte keinen Redner, auch keinen Pastor.
Als die letzten Töne verklungen waren, machten wir uns auf den Weg zum Hafen.
Die Sonne stieg langsam über die Firste der
übrig gebliebenen Hansehäuser. Es roch nach frischem Laub. Die „Hanse-Stern“
lag leise tuckernd am Pier und spuckte in regelmäßigen Intervallen Kühlwasser
ins Hafenbecken.
Lily sollte nicht in einer Reihe mit lauter
Unbekannten liegen.
Die See lag still und glatt vor uns. Ich wollte
sie dahin bringen, wo die Strömung sie auf ihrer Reise mitnehmen würde. Dauert
aber, so weit raus, hatte der Käpt’n am Telefon gemurmelt. Nach drei Stunden
waren wir mitten im Irgendwo.
Der Professor plauderte leutselig über die
Hoffnungen, die er mit einer Seebestattung verband. Man wisse ja nie, was
komme, da sei es doch nur von Vorteil, sich alle Wege offen zu halten. Und was
wäre offener als das Meer.
Plötzlich griff Karla nach meiner Hand, drückte
sie und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter
und dann sahen wir zu, wie Schneiderhannes den Deckel von der Urne nahm und der
Wind die Asche übers Wasser trug.
Auf der Rückfahrt nahm Schenkendorff mich zur
Seite: „Sie haben nicht vergessen, dass wir noch einiges zu regeln haben?“
Ich versprach ihm, mich zu melden.
120
AzP/Kongo/Berlin: Tantalmarkt normalisiert
Wie das Bundeswirtschaftsministerium
mitteilt, hat sich der internationale Tantalmarkt wieder normalisiert. Im
Vorjahr war der Preis auf über 200 Dollar das Kilo geklettert. Die Steigerung
der Fördermengen in Brasilien und Australien sowie optimierte
Produktionsabläufe haben für eine Normalisierung des Preisniveaus gesorgt. Zugleich
wies ein Sprecher Spekulationen zurück, dass die gegen die DR Kongo verhängten Handelsembargos
über Drittländer wie Russland umgangen würden.
Unter der Meldung war noch ein Interview mit
Steven Mbango, dem Präsidenten des Humanitarian Life Trust abgedruckt. Mbango erzählte
die Geschichte eines Bauern, der nur knapp einem Massaker der Rebellen entkommen
sei und dabei seine ganze Familie verlor. Er gehöre zu den Ersten, die von der
Arbeit des Trusts profitieren. Der Trust übernehme nicht nur die Kosten für die
medizinische Behandlung, sondern gewährte auch ein Darlehen, mit dem der Mann
einen kleinen Laden eröffnen konnte. Das sei der Traum seiner ermordeten Frau
gewesen. Kleine Schritte nur, so Mbango, doch sie geben den Menschen im Kongo wieder
Hoffnung.
Ich faltete die Seite und legte sie in einen
schmalen Ordner zu dem Zettel, den van Broiken mir gegeben hatte. Die Stadt lag
schon im Dämmerlicht, als die Bürotür ins Schloss fiel.
Seit Lilys Beerdigung hatte ich nichts mehr
getrunken, keinen billigen Sex mehr, dafür eine Tageszeitung und einen gut
gefüllten Kühlschrank. Eigentlich fehlte mir nur noch die Mitgliedschaft in
einem Verein für ältere Herren, Golf vielleicht oder Tennis. War das der Anfang
meines neuen Lebens?
Vielleicht sollte ich Mader mal zum Essen
einladen. Und, ich sollte sie endlich Julia nennen. Mader, wie sich das anhört.
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